Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
irgendwie mit ihm in Verbindung treten zu können -, könnte er sich
einfach nur zurücklehnen und zusehen, wie die große Kohle anrollte.“ Sie
schüttelte langsam den Kopf. „Ich habe versucht, ihm zu sagen, dass meine
Visionen nicht so funktionierten. Ich konnte sie nicht auf Befehl herbeirufen.
Ich wusste nie im Voraus, ob und wann ich etwas sehen würde, und selbst wenn
sie kamen, war es nicht so, dass ich mit ihnen Gespräche hätte führen können.
Die toten Frauen, die ich sehe, sprechen zu mir, sagen mir Dinge, die sie mir
mitteilen wollen, die ich hören oder für sie tun soll, aber das ist auch schon
alles. Sie quatschen nicht mit mir darüber, wer mit ihnen auf der anderen Seite
abhängt oder was man in diesen okkulten Gesellschaftsspielchen im Fernsehen
sieht.
Aber mein
Vater wollte nicht auf mich hören. Er verlangte, dass ich herausfinde, wie ich
meine Fähigkeit beherrschen kann ... und so habe ich eine Weile versucht, sie
vorzutäuschen. Lange ging das nicht gut.
Eine der
Familien, die er betrügen wollte, hat Anzeige gegen ihn erstattet, und mein
Vater ist abgehauen. Das war das Letzte, was wir je von ihm gehört oder gesehen
haben.“
Sei froh,
dass du ihn los bist, dachte Rio wild, aber er konnte verstehen, wie es
Dylan als Kind verletzt haben musste, so verlassen worden zu sein.
„Was ist mit
deinen Brüdern?“, fragte er. „Waren sie nicht schon alt genug, um sich
einzuschalten und etwas gegen deinen Vater zu unternehmen?“
„Zu dieser
Zeit waren sie beide schon fort.“ Dylans Stimme klang sehr ruhig, und man
merkte ihr den Schmerz viel deutlicher an, als wenn sie über den Verrat ihres
Vaters sprach. „Ich war erst sieben, als Morrison bei einem Autounfall starb.
Er hatte in dieser Woche gerade erst seinen Führerschein bekommen, er war eben
sechzehn geworden.
Mein Vater
hat ihn zum Feiern ausgeführt. Er hat Morrie abgefüllt, und offenbar war er
selbst in einem noch schlechteren Zustand, also hat er Morrie die Autoschlüssel
gegeben, um sie nach Hause zu fahren. Er hat eine Kurve verpasst und ist in
einen Telefonmast gerast. Mein Vater kam mit einer Gehirnerschütterung und
einem gebrochenen Schlüsselbein davon, aber Morrie ... er ist aus seinem Koma
nicht mehr aufgewacht. Drei Tage später ist er gestorben.“
Rio konnte
das Aufknurren nicht unterdrücken, das sich in seiner Kehle aufbaute. Ein
wilder Drang, zu töten, zu rächen und diese Frau in seinen Armen zu beschützen
tobte ihm durch die Venen wie kochendes Feuer. „Diesen sogenannten Mann muss
ich finden und ihm einen Vorgeschmack darauf geben, was wirkliche Schmerzen
sind“, murmelte er. „Sag mir, dass dein anderer Bruder sich deinen Vater
vorgenommen und ihn zu Brei geschlagen hat, dass er fast dran krepiert ist.“
„Nein“,
sagte Dylan. „Lennon war anderthalb Jahre älter als Morrie, aber während Morrie
laut und extrovertiert war, war Len ruhig und zurückhaltend. Ich erinnere mich
an seinen Gesichtsausdruck, als Mom nach Hause kam und uns sagte, dass Morrie
gestorben sei und unser Vater ein paar Tage im Gefängnis verbringen würde,
sobald er aus dem Krankenhaus kam. Len ... er hat sich einfach aufgelöst. An
diesem Tag ist auch etwas in ihm gestorben. Er ging aus dem Haus und direkt zum
nächsten Anwerbebüro der Streitkräfte. Er konnte es kaum erwarten, fortzugehen
... von uns, von alldem. Er hat nie zurückgeschaut. Ein paar seiner Freunde
sagten, man hätte ihn nach Beirut verschifft, aber das weiß ich nicht mit
Sicherheit. Er hat nie geschrieben oder angerufen. Er ... er ist einfach
verschwunden. Ich hoffe nur, dass es ihm gut geht, wohin auch immer das Leben
ihn geführt hat. Er verdient es, glücklich zu sein.“
„Das
verdienst auch du, Dylan. Himmel, du und deine Mutter verdient beide mehr, als
was das Leben euch bisher gegeben hat.“
Sie hob den
Kopf und fuhr herum, um ihn anzusehen, ihre Augen glänzend und feucht. Rio nahm
ihr wunderschönes Gesicht in beide Hände, zog sie an sich und küsste sie. Seine
Lippen berührten ihre nur ganz leicht. Sie schlang die Arme um ihn, und während
er sie so hielt, fragte er sich, ob es nicht vielleicht einen Weg gab, wie er
Dylan etwas Hoffnung geben konnte ... ein Stückchen Glück, für sie und ihre
Mutter, die sie so sehr liebte.
Er dachte an
Tess - Dantes Stammesgefährtin - und ihre unglaubliche Gabe, durch Berührung zu
heilen. Tess hatte Rio geholfen, sich von einigen seiner Verletzungen zu
erholen, und schon öfter hatte er mit eigenen
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