Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
habe
heute Nacht einen interessanten Anruf aus Prag bekommen“, sagte Gideon. „Rio
ist wieder aufgetaucht.“
Niko senkte
die lohfarbenen Augenbrauen. „Er ist nicht in Spanien?
Wann ist er
nach Prag zurückgekommen?“
„Anscheinend
war er gar nicht fort. Er ist da drüben in Schwierigkeiten geraten, eine
amerikanische Reporterin hat die Höhle gesehen. Sie war in der
Überwinterungskammer des Alten. Hat offenbar auch ein paar Schnappschüsse
gemacht.“
„Zur Hölle
noch mal. Wann war das?“
„Ich habe
noch nicht alle Einzelheiten. Rio arbeitet daran, die Situation unter Kontrolle
zu bekommen. Er und die Frau sind gerade auf dem Weg zu Reichen nach Berlin. Er
wird sich melden und Bericht erstatten, wenn er dort ankommt, damit wir uns
überlegen können, wie wir diese potenzielle Katastrophe eindämmen können.“
„Scheiße“,
stieß Brock hervor und fuhr sich über die dunkle Stirn. „Rio lebt also noch,
was? Muss schon sagen, der Typ überrascht mich. Er hat sich so lange unerlaubt
von der Truppe entfernt, ich dachte schon, er kommt gar nicht wieder. Ihr
wisst, was ich meine? So unruhig und reizbar, wie er zuletzt war - perfekter
Selbstmordkandidat, wenn ihr mich fragt.“
„Hätte er
mal besser gemacht“, warf Kade ein und kicherte. „Wo wir uns doch schon mit
Chase und Niko rumärgern müssen. Braucht der Orden wirklich noch so einen
rasenden Irren?“
Niko sprang
den anderen Krieger an wie eine Viper. Ohne jegliche Vorwarnung packte Niko
Kade am Hals, hob den riesenhaften Kerl hoch und schmetterte ihn gegen die
Korridorwand. Er kochte vor Wut und hielt Kade in einem fast schon tödlichen
Griff gepackt.
„Himmel noch
mal“, zischte Kade, von der unerwarteten Reaktion offensichtlich genauso
schockiert wie alle anderen. „Das war doch bloß ein Witz, Mann!“
Nikolai
knurrte. „Siehst du mich lachen? Sehe ich so aus, als lache ich, verdammt noch
mal?“
Kades
scharfe silberne Augen verengten sich, aber er sagte nichts weiter, um Niko
nicht zu provozieren.
„Was du über
mich sagst, ist mir scheißegal“, knurrte Niko, „aber wenn du dir was Gutes tun
willst, dann lass gefälligst Rio aus dem Spiel.“
Gideon hätte
sich denken können, dass es nicht darum ging, dass Kade unabsichtlich Nikolai
beleidigt hatte. Es ging um Nikos Freundschaft mit Rio. Vor der Explosion in
der Lagerhalle, die Rio entstellt und zum Wrack gemacht hatte, waren die beiden
Krieger wie Brüder gewesen.
Danach war
es Niko gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass Rio gefüttert wurde, der Rio aus
der Krankenstation gezerrt und mit ihm am Schießstand des Hauptquartiers
trainiert hatte, sobald der verletzte Krieger wieder aufrecht stehen konnte.
Und immer,
wenn Rio verkündet hatte, dass es mit ihm vorbei sei, dass er zu nichts mehr
nütze sei und aus dem Orden austreten wolle, war es Nikolai gewesen, der am
eindringlichsten mit ihm geredet hatte. In den fast fünf Monaten, in denen Rio
verschwunden war, war keine Woche vergangen, in der Niko nicht nach ihm gefragt
hatte.
„Niko,
verdammt noch mal, Kumpel“, sagte Brock. „Jetzt mach aber mal halblang.“
Der riesige
schwarze Krieger ging dazwischen, offenbar wollte er Niko von Kade losreißen,
aber Gideon hielt ihn mit einem Blick zurück. Obwohl Nikolai seinen Griff nun
etwas lockerte, hing seine Wut immer noch allgegenwärtig im Korridor in der
Luft.
„Du hast
keine Ahnung von Rio“, sagte er zu Kade. „Dieser Krieger hat mehr Ehrgefühl im
kleinen Finger als wir beide zusammen. Ich will nie wieder hören, dass du
Scheiße über ihn verzapfst. Hast du mich verstanden?“
Kade nickte
knapp. „Klar. Wie ich schon sagte, es war nur ein verdammter Spaß. Ich hab's
nicht so gemeint.“
Einen langen
Augenblick starrte Niko ihn an, dann stapfte er stumm davon.
8
Die
Morgendämmerung kroch schon den Horizont hinauf, als der Lastwagen aus Prag in
die Auffahrt eines abgezäunten, schwer gesicherten Herrenhauses in einem
Außenbezirk von Berlin einfuhr.
Der Dunkle
Hafen wurde von einem Stammesvampir namens Andreas Reichen geleitet, einem
Zivilisten, der ein verlässlicher Verbündeter des Ordens war, seit er den
Kriegern bei der Entdeckung der Höhle in den Bergen vor einigen Monaten zu
Hilfe gekommen war. Rio hatte ihn in diesem Februar nur kurz getroffen, aber
der Deutsche begrüßte ihn wie einen alten Freund, als er ihm die Heckklappe
öffnete.
„Willkommen“,
sagte er und warf einen unruhigen Blick zum Himmel, der sich über ihnen
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