Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
das leere Foyer und die massive Treppe hinauf, die im mittleren Teil des
Herrenhauses zu den oberen Stockwerken führte. Im dritten Stock angekommen,
folgte er dem mit Walnussholz getäfelten Gang bis ganz ans Ende und öffnete die
Tür des Gästezimmers auf der rechten Seite. Drinnen war es dämmerig; wie bei
jedem Wohngebäude der Dunklen Häfen waren die Fenster mit elektronisch
gesteuerten Blenden verdunkelt, die die UV-Strahlung und das tödliche
Sonnenlicht abblockten.
Rio trug
Dylan ins Zimmer und legte sie auf das riesige Himmelbett.
Sie wirkte
so gar nicht gefährlich, wie sie sich auf der weichen, seidenbezogenen Matratze
zurechtkuschelte. Unschuldig sah sie aus, fast schon engelhaft in ihrer Ruhe,
ihre Haut so rein wie Milch, bis auf den Regen winziger Sommersprossen, die
sich über ihre Wangen und ihren zierlichen Nasenrücken zogen. Ihr langes rotes
Haar fiel ihr um Kopf und Schultern wie ein feuriger Glorienschein. Rio konnte
nicht widerstehen, er berührte eine der Strähnen, die über ihre sahnefarbene
Wange gefallen war. Sie blieb an seinen schwieligen Fingern hängen, ein so
dunkler und schmutziger Kontrast gegen diese kupferfarbene Seide.
Er hatte
kein Recht, sie zu berühren - keinen guten Grund, sich diese wunderschöne Locke
durch die Finger gleiten zu lassen und die Festigkeit zu bewundern, die sich in
dieser faszinierenden Weichheit verbarg.
Er hatte
überhaupt keinen Grund, sich zu ihr hinunterzubeugen, wie sie so dalag, nur
weil er sie in diesen Zustand versetzt hatte, und ihren wunderbaren Duft
einzuatmen. Speichel schoss ihm in den Mund, als er bewegungslos über ihr
kauerte, sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem Hals entfernt. Sofort erwachte
sein Durst, zusammen mit heißer, anschwellender Begierde.
Madre de
Dios.
Hatte er wirklich
denken können, dass sie ihm in diesem Zustand nicht gefährlich werden konnte?
Wieder
falsch, dachte er und zuckte von der Bettkante zurück, als ihre Augenlider sich
zu regen begannen. Sie kam wieder zu sich. Die betäubende Trance begann
nachzulassen, und sobald Rio nicht mehr im Zimmer wäre und die Wirkung
aufrechterhielte, würde sie völlig verschwinden.
Wieder regte
sie sich etwas, und er wandte sich rasch von ihr ab. Jetzt musste er
schleunigst raus hier, bevor die nur allzu offensichtliche Präsenz seiner
Fangzähne ihn eindeutig verriet.
Als er
aufblickte, sah er Andreas Reichen, der vor der offenen Zimmertür im Gang
stand. „Halten Sie das Zimmer für angemessen, Rio?“
„Ja“,
erwiderte er und stapfte hinüber, um Dylans Rucksack und Handtasche von dem
Deutschen in Empfang zu nehmen. „Die werde ich erst einmal selbst behalten.“
„Natürlich.
Wie Sie möchten.“ Reichen trat zurück, als Rio in den Gang hinaustrat und die
Tür des Gästezimmers hinter sich schloss. Der Deutsche reichte ihm einen
Schlüssel für das Türschloss unter dem antiken Kristallknauf. „Die
Fensterblenden werden zentral gesteuert, und die Glasscheiben sind über die
Alarmanlage gesichert. Draußen auf dem Grundstück des Anwesens sind überall
Bewegungsmelder installiert, und das gesamte Grundstück ist eingezäunt. Aber
diese Sicherungsmaßnahmen wurden getroffen, um Menschen vom Betreten unseres
Grundstücks abzuhalten, nicht, um sie einzusperren. Wenn Sie denken, dass bei
der Frau Fluchtgefahr besteht, kann ich einen Wachtposten an die Tür beordern
...“
„Nein“,
sagte Rio, als er den Schlüssel im Schloss drehte. „Es ist schon schlimm genug,
dass sie mich identifizieren kann. Je weniger Stammesangehörige wir mit
hineinziehen, desto besser. Sie fällt unter meine Zuständigkeit. Ich werde
dafür sorgen, dass sie bleibt, wo sie ist.“
„In Ordnung.
Ich habe die angrenzende Suite für Sie herrichten lassen.
Im Schrank
finden Sie etwas Frisches zum Anziehen. Bedienen Sie sich bei allem, was Sie
brauchen. In der Suite gibt es auch ein Bad und eine Sauna, wenn Sie sich, ähm,
etwas frisch machen möchten.“
„Gut.“ Rio
nickte. Ihm dröhnte immer noch der Kopf von der langen Fahrt auf der Ladefläche
des Lastwagens. Sein Körper war angespannt und unruhig, ihm war heiß, und das
konnte er weder auf die Fahrt noch auf seinen instabilen Gemütszustand
schieben. Hinter seinen geschlossenen Lippen fuhr er mit der Zunge über seine
immer noch ausgefahrenen Fangzähne.
„Eine Dusche
könnte ich brauchen.“
Am besten
eine eiskalte.
Wenn Dylan
schon verwirrt gewesen war, bevor sie und ihr Entführer Prag verlassen hatten,
so wurde die
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