Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
dann waren sie mitten in einen tödlichen Hinterhalt
geraten.
Einen
Hinterhalt, den die Frau zu verantworten hatte, die seine Stammesgefährtin
gewesen war.
Und nachdem
Evas Verrat entdeckt worden war und Rio sie verstoßen hatte, hatte sie sich
hier im Hauptquartier eine Klinge an den Hals gesetzt.
Sie hatte
sich an Rios Bett in der Krankenstation getötet, aber es war hier in ihrer
Wohnung gewesen, wo Rio ihre Anwesenheit am stärksten spürte. Evas persönliche
Note war überall. Von den extravaganten Kunstwerken, die er ihr nur zögernd an
die Wände zu hängen gestattet hatte, zu den großen Spiegeln, die neben dem
begehbaren Schrank und auf der anderen Seite des Raumes, am Fußende des
riesigen Bettes angebracht waren. Rio trug Dylan vorbei an dem eleganten Salon
und durch die verglaste Flügeltür mit den Vorhängen, die zur Schlafzimmersuite
führte. Aus dem Augenwinkel sah er sein Spiegelbild im Glas, als er sie zum
Himmelbett hinübertrug und sie vorsichtig auf die pflaumenblauen Decken gleiten
ließ. Er zuckte beim Anblick des dunklen, zerstörten Gesichtes dieses Fremden,
das da zu ihm zurückstarrte, zusammen. Selbst in den eleganten Sachen, die
Reichen ihm gegeben hatte, sah er immer noch wie ein Ungeheuer aus - und noch
mehr, wenn er diese schlafende Schöne in seinen Armen ansah, die ihm vollkommen
ausgeliefert war. Die Schöne und das Biest.
Er war ein
Ungeheuer, und dafür konnte er nicht nur Eva die ganze Schuld geben. Er war als
Ungeheuer und Mörder geboren worden, und nun passte auch sein Äußeres zu dem,
was er wirklich war. Dylan regte sich ein wenig, als er sie auf der Matratze
zurechtlegte und ihr eines der dicken Kissen unter den Kopf schob.
„Wach auf,
sagte er und fuhr mit seiner Handfläche leicht über ihre Stirn. „Du hast lang
genug geschlafen, Dylan. Du kannst jetzt aufwachen.“
Er musste
ihr nicht die Wange streicheln, um die Trance von ihr zu nehmen. Es war auch
nicht nötig, dass er seine Fingerspitzen auf ihrer samtigen Haut mit den
charmanten rötlichen Sommersprossen verweilen ließ. Er musste nicht spielerisch
die feine Linie ihres Kiefers nachfahren ... aber er konnte nicht widerstehen,
sich damit Zeit zu lassen.
Ihre
Augenlider zuckten. Der dunkelbraune Saum ihrer Wimpern hob sich, und Rio war
im grüngoldenen Licht ihres Blickes gefangen. Zu spät ließ er seine Hand von
ihrem Gesicht fallen, aber er konnte sehen, dass sie wusste, welche Freiheiten
er sich da herausgenommen hatte.
Sie zuckte
nicht vor ihm zurück, sondern atmete nur leise durch ihre offenen Lippen ein.
„Ich hab
Angst“, flüsterte sie, ihre Stimme war leise und dünn von dem langen Schlaf, in
den er sie versetzt hatte. Sie war sich weder der Trance, in der Rio sie
versetzt hatte, bewusst, noch hatte sie etwas von der Reise mitbekommen. Sie
wähnte sich immer noch in Reichens Dunklem Hafen, ihr bewusstes Erinnern endete
in dem Moment, als sie und Rio nach Boston aufgebrochen waren. „Ich habe Angst
davor, wo Sie mich hinbringen ...“
„Sie sind
schon da“, sagte Rio zu ihr. „Wir sind eben angekommen.“
Ein Ausdruck
jäher Panik stieg ihr in die Augen. „Wo ...“
„Ich habe
Sie ins Hauptquartier des Ordens gebracht. Sie sind in meinen Privaträumen, und
Sie sind hier in Sicherheit.“
Sie sah
umher, nahm ihre Umgebung in Augenschein. „Sie wohnen hier?“
„Ich habe
hier gewohnt.“ Er stand auf und wich von dem Bett zurück.
„Machen Sie
sich's bequem. Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie mir nur Bescheid, ich werde
dafür sorgen, dass Sie es bekommen.“
„Wie wär's
mit einer Mitfahrgelegenheit zu meiner Wohnung in New York?“, fragte sie, nun
offenbar wieder bei vollem Bewusstsein und sogleich ganz die Alte. „Oder den
GPS-Koordinaten des Ortes, an dem Sie mich jetzt gefangen halten, und dann
finde ich schon allein nach Hause?“
Rio
verschränkte die Arme vor der Brust. „Das hier ist jetzt vorerst Ihr Zuhause,
Dylan. Weil Sie eine Stammesgefährtin sind, werden Sie mit all dem Respekt
behandelt werden, der Ihnen zusteht. Sie werden zu essen bekommen und alle
Annehmlichkeiten, die Sie brauchen. Sie werden nicht in diese Räume
eingesperrt, aber ich kann Ihnen versichern, dass Sie von hier nicht weglaufen
können, selbst wenn Sie es versuchen. Das Hauptquartier ist gesichert. Meine
Brüder und ich werden Ihnen nichts tun, aber wenn Sie versuchen sollten, diese
Räume zu verlassen, werden wir es wissen, noch bevor Sie auch nur den ersten
Schritt in den Korridor hinaus
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