Midnight Breed 05 - Gefaehrtin der Schatten-neu-ok-15.11.11
waren, rannte sie zurück, um Nikolai zu holen. Sie
ignorierte den wilden Schmerz in ihrer Schulter, zerrte Nikolai eilig in das
Ladedock und stieß ihn in auf die Ladefläche des Anhängers, wo er vor dem
Tageslicht draußen in Sicherheit sein würde.
„Find was,
woran du dich festhalten kannst", sagte sie zu ihm. „Jetzt wird's gleich
etwas holperig." Sie gab ihm keine Chance, etwas zu sagen. Schnell schlug
sie die Tür zu und warf den Riegel vor, sperrte ihn im Innern des Lastwagens
ein. Dann sprang sie in die leere Fahrerkabine, startete den Motor und warf den
Gang ein.
Als sie mit
dem Lastwagen durch das geschlossene Tor des Ladedocks brach und die Ausfahrt
hinaufraste, der Freiheit entgegen. fragte sie sich, ob sie gerade Nikolai das
Leben gerettet oder sie beide zum Untergang verdammt hatte.
16
Sein Kopf
dröhnte wie eine Trommel. Das beständige, rhythmische Hämmern klang ihm in den
Ohren, so betäubend, dass es ihn nach einem scheinbar endlosen, unruhigen
Schlaf allmählich wieder zu Bewusstsein brachte. Sein Körper schmerzte. Lag er
irgendwo auf dem Boden? Unter seinem nackten Körper spürte er kaltes Metall,
und die Kanten von schweren Frachtkartons bohrten sich ihm immer wieder
schmerzhaft in Rücken und Schultern. Eine Plastikplane bedeckte ihn wie eine
behelfsmäßige Decke.
Er versuchte
den Kopf zu heben, hatte aber kaum die Kraft dazu. Seine Haut fühlte sich
erhitzt an, pulsierte vom Kopf bis zu den Füßen. Jeder Zentimeter seines
Körpers war erschöpft und angespannt, fieberheiß. Sein Mund war trocken, seine
Kehle ausgedörrt und wund.
Er war
durstig.
Dieser Durst
war alles, woran er denken konnte, der einzige klare Gedanke in seinem
hämmernden Schädel. Blut.
Himmel,
er war am Verhungern.
Er konnte
den Hunger schmecken - den schwarzen, verzehrenden Wahnsinn - in jedem flachen
Atemzug, der durch seine Zähne fuhr. Seine Fangzähne füllten seinen Mund aus.
Sein Zahnfleisch pulsierte, wo seine riesigen Fänge standen, als wären sie seit
Stunden voll ausgefahren. Einem entfernten, nüchternen Teil seines Verstandes
fiel auf, dass diese Schätzung nicht stimmen konnte; die Fangzähne eines
Stammesvampirs zeigten sich normalerweise nur in Momenten höchster körperlicher
Anspannung - als Reaktion auf Beute, sexuelle Erregung oder reine, tierische
Wut.
Die Trommel,
die immer noch in seinem Kopf vor sich hinhämmerte, verstärkte das Pulsieren
seiner Fangzähne noch. Es war dieses Hämmern, das ihn geweckt hatte. Das
Hämmern, das ihn jetzt nicht mehr schlafen ließ.
Etwas
stimmte nicht mit ihm, dachte er noch, als er mühsam die brennenden Augen
öffnete und die überscharfen, in bernsteinfarbenes Licht getauchten
Einzelheiten seiner Umgebung in sich aufnahm.
Kleiner,
enger Raum. Lichtlos. Eine Schachtel voll kleinerer Schachteln.
Und eine
Frau.
Als sein
Blick sie erfasste, verblasste alles andere. Sie lag ihm gegenüber, trug ein
langärmliges schwarzes T-Shirt und dunkle Jeans und hatte sich wie ein Embryo
zusammengerollt, Arme und Beine eng an die Wölbung ihres Oberkörpers gepresst.
Ihr kinnlanges, tintenschwarzes Haar war ihr größtenteils ins Gesicht gefallen
und verbarg ihre Züge. Er kannte sie . . oder spürte, dass er sie kennen
sollte. Ein weniger klarer Teil von ihm wusste nur, dass sie warm, gesund und
wehrlos war. In der Luft hing ein leiser Hauch von Sandelholz und Regen. Der
Duft ihres Blutes, sagte ihm ein vager Instinkt. Er kannte diesen Geruch, und
er kannte sie, das wusste er mit einer Gewissheit, die ihm ins Mark eingebrannt
schien. Sein trockener Mund war plötzlich nass in Vorfreude auf die
Nahrungsaufnahme. Hunger gepaart mit Gelegenheit verlieh ihm eine Kraft, die er
vor einem Augenblick noch nicht gehabt hatte. Leise erhob er sich vom Boden in
eine tief geduckte Haltung. Er setzte sich auf seine Hacken, legte den Kopf
schief und beobachtete die schlafende Frau. Wie ein Raubtier schlich er sich
näher heran, bis er über ihr war. Das bernsteinfarbene Glühen seiner Iriskreise
badete sie in goldenem Licht, als er seinen hungrigen Blick über ihren Körper
streifen ließ.
Und dieses
unaufhaltsame Trommeln war hier lauter, die Vibration so klar, dass er es in
seinen nackten Fußsohlen spüren konnte. Es hämmerte in seinem Kopf, forcierte
seine ganze Aufmerksamkeit. Zog ihn näher zu ihr, dann noch näher.
Es war ihr Puls.
Als er so auf sie herunterstarrte, konnte er auf der Seite ihres Halses das
weiche Pochen ihres Herzschlages sehen.
Weitere Kostenlose Bücher