Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
seiner
Privatwohnung aufgefunden. Mit gebrochenem Genick. Und... das ist noch nicht
alles, Herr Direktor.
Es gab auch einen Vorfall in Ihrem Dunklen
Hafen in Hamburg.“
Roth schnaubte voller Sarkasmus. „Was Sie nicht
sagen.“
„Bitte, Herr Direktor?“
„Stellen Sie eine bewaffnete Einsatztruppe
zusammen und schicken Sie sie zu meinem Landhaus, sobald die Sonne untergeht.
Die Einheit vor Ort wurde angegriffen und eliminiert. Meine Stammesgefährtin
ist dort, ohne bewaffneten Schutz.
Sie ist allein, und sie hält Andreas Reichen
für euch fest.“
„Reichen?“, fragte der Agent. „Ich verstehe
nicht, Herr Direktor. Wurde der nicht vor einiger Zeit bei diesem seltsamen
Unfall in seinem Dunklen Hafen getötet?“
Roths Finger spannten sich fester um das
schmale Gehäuse seines Handys. „Wie es aussieht, ist der Mistkerl noch
quicklebendig... noch. Weisen Sie das Team an: Schießbefehl bei Sichtung.
Knallen Sie ihn ab, Agent.“
„Jawohl, Herr Direktor.“
5
Reichen stand schweigend über ihr, die Hände
auf die Armlehnen des moosgrünen Lehnsessels in einem der Empfangsräume des
Anwesens gestützt, auf dem Claire eingeschlafen war. Als er im stockdunklen
Keller zu sich gekommen war, hatte er zuerst keine Ahnung gehabt, wo er sich
befand oder wie er hergekommen war. Er konnte sich auch nicht gleich daran
erinnern, warum der größte Teil seines Körpers offensichtlich durch UV-Licht
verursachte Verbrennungen erlitten hatte. So war es manchmal mit ihm, nachdem
seine pyrokinetische Energie von ihm Besitz ergriffen hatte. Dann fiel es ihm
schwer, sich an die Einzelheiten zu erinnern. Schwer, sich zu orientieren.
Schwer, etwas anderes wahrzunehmen als den
wilden Blutdurst, der ihn überwältigte, sobald sein inneres Feuer etwas
abgekühlt war.
Seine Orientierungslosigkeit hatte nur kurz
angehalten. Dann hatte er eine leichte Duftspur von Vanille und aromatischen
Gewürzen eingeatmet.
Claire.
Der Duft ihres Blutes hatte ihn aus dem Dunkel
hervorgelockt, die Steintreppe hinauf, bis in den Raum, wo sie jetzt saß und
döste. Er atmete ihren Duft ein, als er über ihr aufragte, versucht, die Augen
zu schließen und die Erinnerung daran zu genießen, was gewesen war, stattdessen
blinzelte er kaum. Er beobachtete die schnellen Bewegungen ihrer Augen unter
ihren geschlossenen Lidern.
Sie träumte.
Reichen fragte sich, wie lange sie schon
schlief oder wohin ihre Träume sie geführt hatten, dass ihr Puls so schnell
schlug wie der eines scheuen Hasen.
Sein durstiger Blick glitt von ihrem schönen,
zarten Gesicht zur glatten goldbraunen Haut ihres Halses.
An seiner rechten Seite pochte hektisch ihre
Arterie neben einem kleinen scharlachroten Muttermal.
Reichens Fänge füllten bereits seinen Mund aus,
aber nun pulsierten sie, seine Augen lagen wie gebannt auf dieser zarten Haut
mit dem winzigen Symbol einer Träne, die in die Wiege einer Mondsichel fiel, so
nahe an Claires Puls.
Himmel, er war völlig ausgedörrt.
Sein leerer Magen war verkrampft, seine Glieder
schwer und erschöpft. Er leckte sich die Lippen und konnte nicht widerstehen,
sich ein wenig näher zu ihr zu beugen, bis ihr leichter Pulsschlag in seinen
eigenen Adern dröhnte, so laut und fordernd wie eine Trommel.
Gott, er hatte solchen Durst... sein Trieb war
wild und animalisch, drängte ihn dazu, auf sie niederzufahren und sich den
Bauch vollzuschlagen wie ein Raubtier - das er tatsächlich war.
Doch die Frau unter ihm war Claire, und das
hielt ihn zurück. Wie lange hatte er sich gefragt, wie sie wohl schmecken
würde? Wie oft war er so nahe daran gewesen - verdammt, noch näher als jetzt - ,
seine Fänge in ihre samtweiche Haut zu bohren und aus ihrer Vene zu trinken?
Einst hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht. Und doch hatte er genau das
nie getan, nicht einmal in ihren leidenschaftlichsten Augenblicken zusammen.
So sehr er auch danach gehungert hatte, sie zu
schmecken, sie durch ihr Blut an sich zu binden, hatte er sich von seinem
Verlangen nach Claire doch nie so weit treiben lassen. Sie war eine
Stammesgefährtin.
Anders als beim Großteil der Frauen der Spezies
Homo sapiens auf diesem Planeten hatten ihr Blut und ihre DNA ungewöhnliche
Eigenschaften.
Claire und all die anderen, die wie sie das
purpurrote Mal irgendwo auf ihrem Körper trugen, verfügten auch über besondere
übersinnliche Fähigkeiten. Und im Unterschied zu den anderen Menschenfrauen
besaßen sie die Fähigkeit, eine unauflösliche Verbindung mit
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