Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
hatte, und ging, um die
Tür zu öffnen. Als sie aus dem dunklen Raum trat, drückte der Agent ihr sein
Handy in die Hand. Sie nahm es. Hob es langsam ans Ohr.
Sobald sie Wilhelms Atem hörte, der heiß über
die Sprechmuschel blies, wusste sie, dass er wütend auf sie war.
Ihre Venen summten ihr eine Warnung zu, doch
sie hatte nicht die Geduld, sie zur Kenntnis zu nehmen.
„Du hast mich angelogen“, sagte sie statt einer
Begrüßung. „Aber das hast du ja schon oft getan, nicht wahr?“
Sein Hohn war scharf wie eine Klinge. „Wovon
zur Hölle redest du?“
„Die Männer, die du heute Nacht zum Landhaus
geschickt hast. Sie hatten nicht die geringste Absicht, Andreas friedlich
mitzunehmen. Du hast eine Todesschwadron geschickt, um ihn zu töten.“
„Andreas Reichen ist ein hochgefährliches
Individuum“, kam die eisige Antwort. „Es ging mir nur um deine Sicherheit,
Claire.“
„Ach wirklich?“ Ihre Stimme hob sich leicht,
genug, um unruhige Blicke ihrer beiden Wachhunde auf sich zu ziehen. „Wenn
meine Sicherheit dir so am Herzen liegt, warum hast du dann darauf bestanden,
dass ich mit ihm dort bleibe? Du hast mich ihm praktisch in die Arme getrieben.“
Sein tiefes, amüsiertes Kichern kratzte über
ihre Nerven. „Also wirklich, ich verstehe nicht, warum du dich so aufregst,
Liebling. Ich nehme doch an, dass es dir gelungen ist, diese Situation
unversehrt zu überstehen... mit heilem Hals.“
Claire quittierte die mehrdeutige Bemerkung mit
einem angespannten Kopfschütteln. Sie war nicht bereit, sich von ihm
erniedrigen zu lassen, während er sie ganz krank machte vor Wut, Ekel und auch
Angst. „Wie war das mit dem Mädchen aus dem Club Aphrodite, Wilhelm? Hat sie
dich unversehrt überstanden?“
Am anderen Ende breitete sich Schweigen aus,
was Claire den Mut gab, weiterzusprechen und alles in einem Atemzug vor ihm
auszubreiten.
„Was weißt du über den Überfall auf Andreas'
Dunklen Hafen, Wilhelm? Hattest du etwas damit zu tun?“ Sie würgte förmlich an
den schrecklichen Worten. „Hast du ihm eine Lakaiin ins Haus geschickt und eine
Todesschwadron mit dem Befehl, alle im Haus zu töten? Bist du wirklich der
kaltblütige Mörder, für den er dich hält?“
„Ich bitte dich, Claire. Du solltest dich
selbst hören, was für paranoiden Unsinn du da redest.“
„So, tue ich das?“ Sie vernahm das Zögern in
seiner Stimme. Sie konnte hören, wie es in seinem Kopf arbeitete - wie er seine
Fehler kalkulierte und die beste Art, sie herunterzuspielen. „Was ist das
zwischen dir und Andreas? Hat er dir gedroht, dich irgendwie bloßzustellen,
oder ist es etwas Persönliches ... wegen früher?“
„Was früher war, kümmert mich herzlich wenig“,
erwiderte er völlig emotionslos. „Und wenn mich nicht alles täuscht, Claire,
ist diese Sache zwischen Reichen und mir erst vor Kurzem extrem persönlich
geworden. Was wäre ich für ein Gefährte, wenn ich ihm durchgehen lassen würde,
das Sakrament unserer Verbindung zu schänden und sich ungestraft aus dem Staub
zu machen? Es gibt im ganzen Vampirvolk keinen einzigen Mann, der mir das Recht
verweigern würde, deine Ehre zu verteidigen.“
Oh Gott. Er hatte recht.
Wenn schon die Anschläge, die Andreas in den
letzten Wochen verübt hatte, nicht Grund genug waren, dann hatte Andreas, indem
er von ihr, einer blutsverbundenen Stammesgefährtin, getrunken hatte, sein
eigenes Todesurteil unterschrieben.
Claire schluckte den Klumpen aus Angst, der in
ihre Kehle stieg, hinunter. „Du hast mich nie geliebt, Wilhelm. Nicht wahr?
Warum wolltest du mich als deine Gefährtin? Warum kümmert es dich, was ich
jetzt tue, wenn ich doch nie wirklich ein Teil deines Lebens war? Unsere
Verbindung ist immer nur eine reine Farce gewesen...“
„Wenn du glaubst, dass du deine Taten auf diese
Art rechtfertigen kannst, Claire, dann irrst du dich gewaltig. Tatsache ist, du
bist meine Gefährtin. Wenn ich Andreas Reichen in die Hände bekomme, werde ich
all die Rechte einfordern, die mir zustehen. Darauf kannst du dich verlassen.“
Sie konnte die Gefahr in seinem Tonfall hören,
und angesichts der Schärfe, mit der er sie unterbrochen hatte, wusste sie, dass
sie bei ihm keinerlei Gnade finden würde. Sie war nie eine gewesen, die sich
duckte, aber bei dem Gedanken, dass er weitere Killer in die Stadt schickte, um
Andre zu finden, zog sich ihr Herz zusammen, als stecke es in einem
Schraubstock.
„Wilhelm, bitte...“
„Bitte mich nicht, Claire. Nicht für
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