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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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konzentrierte sich nur auf mich.
    «‹Unmenschlich   … das Wort   … kennen Ameisen nicht   … sind   … sind Sie   … auch   … wiedergeboren?»
    Ich war elektrisiert: Ich war nicht der einzige ehemalige Mensch hier. Ich war nicht allein mit meinem Schicksal! |53| Und wenn es noch mehr reinkarnierte Menschen in diesem Ameisenstaat gab, dann könnten wir uns vielleicht gemeinsam retten.
     Irgendwie?
    Ich versuchte, die anderen Ameisen daran zu hindern, weiter auf den wiedergeborenen Menschen einzuschlagen: «Hört endlich
     auf! Ihr bringt ihn ja um!»
    Zu meiner großen Überraschung sagte Krttx: «Sie hat recht. Es reicht.»
    Die Ameisen ließen von ihrem Opfer ab. Regungslos lag er da, zu schwach, um noch irgendetwas zu sagen. Es schien ihn seine
     ganze verbliebene Kraft zu kosten, den Blickkontakt mit mir zu halten. Krttx baute sich vor dem Flüchtling auf, streckte ihm
     ihren buckligen Unterkörper entgegen, wackelte etwas hin und her und sprühte ihm einen Riesenschwall schwarzer Flüssigkeit
     ins Gesicht. Ameisensäure.
    Ich fragte ihn noch hastig: «Wie heißt du?»
    Er antwortete: «C   … Ca   … ss   …» Und fiel in eine tiefe Ohnmacht. 5
     
    |54| Die anderen Ameisen schleppten den Flüchtling fort. Ich fragte die kleine Fss, was mit ihm geschehen würde, und sie antwortete:
     «Das entscheidet die Königin.»
    «Und was wird sie entscheiden?», hakte ich nach.
    «Entweder lässt sie ihn öffentlich hinrichten   …»
    «Oder?», schluckte ich.
    «Sie lässt ihn ohne Zuschauer hinrichten.»
    Ich schluckte noch heftiger. Es war so gemein: Da hatte ich einen anderen wiedergeborenen Menschen getroffen, nur um seiner
     baldigen Bestattung beiwohnen zu müssen.
     
    4
    Aus Casanovas Erinnerungen: Nach dem wenig erbaulichen Liebesakt hätte ich der Königin auf deren Frage «War es für dich auch
     schön?» wohl nicht so wahrhaftig Auskunft über ihre erotischen Qualitäten erteilen sollen.
    5
    Aus Casanovas Erinnerungen: In all meinen tristen Ameisenleben kreuzten nur drei andere wiedergeborene Menschen meine Wege.
     Der erste war der berüchtigte Dschingis Khan. Er hatte, so schilderte er, schon einige andere Leben durchlitten, etwa als
     Schweinefloh. Als ich dies hörte, amüsierte ich mich königlich. Er aber bebte ob meines Gelächters erzürnt: «Früher hätte
     ich dich in siedendes Öl werfen lassen. Aber jetzt bin ich friedlicher.» Sprach’s und machte in meine Fühler einen gordischen
     Knoten. Fortan mied ich es tunlichst, die Wege des «friedlichen» Khans zu kreuzen. Der zweite reinkarnierte Mensch, dem ich
     begegnete, war eine Ameise, die sich mir als Albert Einstein vorstellte. Albert nahm sein Schicksal duldsam hin und merkte
     nur an, dass das Universum anscheinend noch sehr viel relativer war, als er es je für möglich gehalten hätte. Und der dritte
     reinkarnierte Mensch, mit dem ich als Insekt Bekanntschaft schließen durfte, war Madame Kim. Das Wesen, das mein jämmerliches
     Dasein von Grund auf verändern sollte.

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    11.   KAPITEL
    Während die anderen Ameisen schlummerten und dabei schnarrend nach Luft röchelten, zuckten einige von ihnen unruhig hin und
     her – sie träumten. Vielleicht von Futter. Oder von dem Flüchtling. Oder davon, in welche Körperöffnungen Krttx ihre Fühler
     stopfen konnte.
    Dass Ameisen auch träumen konnten, hatten Wissenschaftler nie bemerkt. Aber die haben es ja eh nicht drauf. Sonst hätten die
     Herrschaften längst schon einen Instantkaffee erfunden, der schmeckt. Stattdessen lassen sie Raumstationen auf die Köpfe unschuldiger
     Leute abstürzen. Na, vielen Dank. Ich malte mir aus, wie ich den russischen Wissenschaftlern, die für meinen Tod verantwortlich
     waren, Ameisensäure ins Gesicht spritzte.
    Mein Gott, einen Tag war ich erst tot, und ich dachte schon ein bisschen wie eine Ameise.
    Und dann fiel ich in ein tiefes Loch des Selbstmitleids: Ich dachte an all die Dinge, die ich nicht mehr erleben würde, weil
     ich kein Mensch mehr war: ausgiebige Einkaufsbummel |55| in Manhattan, Küsse mit Daniel Kohn, Wellnessanwendungen, Sex mit Daniel Kohn, die Spaghetti Gamba bei unserem Stammitaliener,
     Daniel Kohns Liebesgeständnis   …
    In diesem Moment fiel mir auf, dass in meinen Gedanken überdurchschnittlich oft Daniel Kohn vorkam und unterdurchschnittlich
     oft mein eigener Ehemann.
    Aber war das falsch?
    Meine Ehe war doch am Ende. Und außerdem war ich ja auch tot. Da konnte ich doch ruhig mal an

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