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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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erwiderte ich.
    «PAAACK MIT AAAAAAANNNN!», brüllte Krttx so laut, dass meine Fühler vibrierten.
    Und dann fragte sie noch eine Spur süßlicher: «War das angemessen genug?»
    «Nicht wirklich», erwiderte ich.
    Die Chefameise wurde nun richtig wütend und zischte: «Du packst jetzt sofort mit an.»
    «Warum sollte ich?»
    «Weil ich dir sonst das Genick breche.»
    Das war ein ziemlich überzeugendes Argument.
     
    Eingeschüchtert reihte ich mich ein und musste mit den anderen Arbeiterinnen das Gummibärchenstück schultern. Es fühlte sich
     klebrig an und stank unglaublich nach künstlicher Erdbeere. Wir schleppten es durch den nicht enden wollenden Tunnel, der
     immer tiefer in das feuchte Erdreich führte. Es war wahnsinnig anstrengend. So hatte ich lange nicht mehr geschwitzt. Ich
     war ja nie so der Typ für Sport. Jedes Mal, wenn Alex mich fragte, ob ich nicht mal mit ihm joggen wollte, antwortete ich
     nur: «Wenn Gott gewollt hätte, dass die Menschen joggen, hätte er dafür gesorgt, dass sie in Jogginganzügen ästhetisch aussehen.»
    So hechelte ich unter dem Gelatine-Zucker-Klumpen, genauso wie die Ameisen um mich herum, die jeglichen Augenkontakt untereinander
     vermieden – es war eine ziemlich eingeschüchterte Truppe.
    |45| Nach einer Weile wandte ich mich an die kleine, junge Arbeiterin, die neben mir ging: «Bist du auch wiedergeboren worden?»
    Doch noch bevor die etwas antworten konnte, schrie Krttx: «Du, Neue! Weißt du, was ich mit denen mache, die bei der Arbeit
     reden?»
    «Ihnen das Genick brechen?», fragte ich.
    «Nachdem ich ihnen die Fühler rausgerissen habe.»
     
    Krttx’ Drohungen wurden immer kreativer, je schlapper wir wurden. Am Ende wollte sie sehr unangenehme Dinge mit unseren Sexualdrüsen
     veranstalten. Aber ich war zu erschöpft, um das überhaupt noch zu hören. Meine Beine schwankten unter dem Gewicht des Gummibärchenteils,
     meine Fühler rochen meinen eigenen stechenden Schweiß, und ich sehnte mich nach einem heißen Schaumbad mit Ayurveda-Zusatz.
     Auch wenn mir klar war, dass Ameisen eher selten in Schaumbäder mit Ayurveda-Zusatz anzutreffen sind. Und falls doch, nur
     als ertrunkene Leiche, die im Abfluss verschwindet.
    Endlich gelangten wir an das Ende des Tunnels, und ich hörte ein wahnsinniges Gesurre. Von Schritt zu Schritt wurde es lauter.
     Und dann bot sich mir der atemberaubendste Anblick, den ich je gesehen hatte: Ameisen-Metropolis. Ein riesiger Hohlraum tief
     in der Erde, beschienen durch Sonnenlicht, das durch die unzähligen Tunnel eindrang und das mir – dank meiner lichtempfindlichen
     Augen – vorkam wie helllichter Tag.
    Hunderte, Tausende, Zehntausende Ameisen surrten, wuselten und sausten hier durcheinander.
    Jede kannte ihren Weg in diesem von ihnen geschaffenen Reich aus Trampelpfaden, Futterhalden und Brutstätten. |46| Ich war überwältigt. So musste man sich fühlen, wenn man in einem Allgäuer Bauerndorf aufgewachsen ist und dann mitten zur
     Hauptverkehrszeit in Kairo ausgesetzt wird.
    Ich sah den Flugameisen zu, die im Formationsflug über unseren Häuptern dahinzogen. Ich betrachtete die Arbeiterinnen, die
     mit ungeheurer Disziplin Kammern in die Erdwälle bauten. Ich staunte über die Soldatinnen, die Futter auf enorm hohe Halden
     schleppten. Es war das Chaos, aber auf eine perfekte Art und Weise. Oder war es Perfektion auf eine chaotische Art und Weise?
     In jedem Fall war es monumental!
    Plötzlich sausten zwei Flugameisen in einem Affentempo wie Cessnas knapp über unsere Köpfe hinweg. Dabei lachten sie übermütig:
     «Mann, sind diese Arbeiterinnen alle lahmarschig!»
    «Es muss echt blöd sein, ohne Flügel zu leben.»
    «Ja, gut, dass wir keine Frauen sind.»
    Krttx schaute ihnen wütend nach und fluchte: «Blöde Männchen! Total unnütz in dieser Welt.»
    Und ich dachte: Das ist ein Satz, den man auch oft von Menschenfrauen hört.
    «Das Einzige, was die können, ist die Königin begatten», fluchte Krttx weiter.
    Und ich dachte: Das ist ein Satz, den man von Menschenfrauen nicht ganz so oft hört.
    Ich blickte den Flugameisen hinterher. Ich war so reizüberflutet, ich hörte nicht mal mehr Krttx’ Flüche. Was schade war,
     denn sonst hätte ich ihr «Beweg dich, oder ich beiß dir gleich in den Hintern!» gehört.
    «AUU», schrie ich laut auf und setzte mich wieder in Bewegung.
     
    |47| Schließlich gelangten wir mit unserer Gummibärchenlast zu einer Nahrungshalde, und ich bemerkte, dass sie aus lauter

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