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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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dreiunddreißig noch bei seiner Mutter lebte?»
    «Ähem   … ja», flunkerte ich.
    «Glaub ich nicht», erwiderte er.
    «Es gibt keinen Grund, mir nicht zu glauben», sagte ich und merkte, dass meine Stimme völlig unglaubwürdig klang.
    |101| «Ich hab mein ganzes Leben verplempert», begann Thorsten zu greinen. «Ich hab keinen einzigen meiner Träume verwirklicht.
     Wissen Sie, dass ich nie nackt im Regen getanzt habe?»
    «Nein   …», und es gab auch kaum etwas, das mich weniger interessieren könnte.
    «Ich hätte so gerne nackt im Regen getanzt», seufzte Thorsten. «Haben Sie mal nackt im Regen getanzt?»
    «Nein», erwiderte ich wahrheitsgemäß. Ich stand nicht so auf Erkältungen.
    «Meine Mutter schon.»
    Ich blickte in Richtung Schuppen, der am Ende unseres großen Gartens stand, und hörte, wie Alex fluchend nach dem Aufsatz
     für den Gartenschlauch suchte.
    «Jetzt machen Sie mich bitte los! Ich muss den Ameisenhaufen vor der Auslöschung retten!», drängelte ich.
    Thorsten, die Spinne, war von dem plötzlichen Themenwechsel irritiert, und ich erklärte im Schnelldurchlauf, was los war.
    «Die Biester sind mir völlig wurscht!»
    «Aber mir nicht», rief ich.
    «Wollen Sie sich nun mit mir unterhalten oder nicht?», fragte er.
    «Nein!», erwiderte ich taktisch nicht gerade clever. «Befrei mich endlich, du Vollidiot!» Es war vorbei mit dem höflichen
     Gesieze.
    «Mama hatte recht, alle Frauen sind Lügnerinnen.»
    Mir gefiel die Richtung nicht, die dieses Gespräch nahm.
    Er krabbelte wieder auf mich zu. Auch diese Richtung gefiel mir nicht. Und meinem Alarmsinn noch weniger, der mir fast den
     Schädel sprengte.
    «Was machst du denn nun?», fragte ich und schaffte es |102| kaum, meine Stimme dabei nicht nervös überschlagen zu lassen.
    «Dich essen», sagte er lapidar. Auch er verzichtete nun auf das höfliche «Sie».
    «WAS?!?», rief ich.
    «Ich hab Hunger.»
    «Du kannst doch keinen Menschen essen!»
    «Du bist kein Mensch. Du bist eine Ameise. Ich bin eine Spinne. Das ist unser neues Leben. Darauf muss man sich einstellen.
     Alles andere wäre Selbstbetrug.»
    Dieser Umgang mit dem Phänomen Wiedergeburt war mir eindeutig zu pragmatisch.
    Thorsten krabbelte immer näher. Was konnte ich nur gegen diesen Irren tun? Ich überlegte hastig und kam auf eine verzweifelte
     Idee:
    «Lass mich frei, oder ich furz in deinen Mund.»
    «Was?», fragte Thorsten etwas undeutlich – sein Maul war bereits weit offen.
    «Lass mich frei, oder ich furz in deinen Mund.»
    Er überlegte und sagte: «Ich kann dennoch zubeißen.»
    «Aber ich schmecke dir dann nicht mehr», konterte ich.
    Thorsten zögerte und erwiderte: «Aber du bist dann tot.»
    «Ich werde wiedergeboren», hielt ich dagegen.
    Thorsten schwieg, verunsichert.
    Und ich legte nach: «Und bevor ich sterbe, hab ich in deinen Mund gefurzt. Und den Geschmack wirst du tagelang nicht mehr
     los.»
    Thorsten suchte nach einem Gegenargument und fand leider ein gutes: «Vielleicht hab ich dich schneller runtergeschluckt, als
     du furzen kannst.»
    Jetzt suchte ich nach einem Gegenargument für sein |103| Gegenargument und fand ebenfalls ein gutes: «Ich furz schneller als der Wind.»
    Thorsten zögerte. Lange – er suchte nach einem Gegenargument gegen mein Gegenargument für sein Gegenargument. Währenddessen
     spürte ich seinen heißen Atem um meinen Ameisenpo herumwehen. Meine Panik wurde immer größer, jeden Augenblick würde mein
     Fluchtinstinkt überhandnehmen, und ich würde versuchen zu fliehen. Und dann würde Thorsten zubeißen. Ich rang mit mir. Hart.
     Schließlich konnte ich nicht mehr gegen meinen Instinkt ankämpfen. Meine Beine machten sich auf zum Start, der mein garantiertes
     Verderben bedeuten würde. Im letzten Augenblick sagte Thorsten: «Gut, gut, gut – du hast gewonnen.»
    Er befreite mich aus den Fäden mit den Worten: «Ich mag kein Essen, das mit einem diskutiert.»
    Ich krachte zu Boden. Es tat weh, aber ich war ungemein erleichtert, dieses Leben nicht als Spinnensnack beendet zu haben.
    Ich blickte zu Alex, der aus dem Schuppen trat. Er hatte den Aufsatz für den Schlauch gefunden. Ich rannte los, aber meine
     Beine waren von den Spinnenfäden noch klebrig und backten auf der Terrasse fest.
    «Darf ich Ihnen helfen, Madame?», fragte Casanova, der auf einmal hinter mir stand. Bevor ich etwas antworten konnte, befreite
     er mich schnell mit seinen vielen Beinen von den Kleberesten.
    «Danke», sagte ich und wollte

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