Mieses Karma
wir in ihrem Zimmer waren, sagte die Kleine zu mir: «Dass
du neben dem Bett schläfst, habe ich Papa nur so gesagt. Du kannst natürlich unter meine Decke.»
Ich bellte zustimmend und hüpfte zu ihr ins Bett.
Da lag ich endlich wieder neben meiner Tochter und blickte zu den Leuchtsternen an der Decke. Doch im Gegensatz zum letzten
Mal, als ich noch als Ameise bei Lilly lag, konnte ich kaum Glück empfinden. Zu groß war der Schmerz, dass ich sie zwei Jahre
nicht hatte sehen können. Zwei Jahre ihres Lebens, die ich verpasst hatte. Und die nie wiederkommen würden. Ich blickte tieftraurig
auf Lillys kleinen Snoopy-Wecker: Es war schon zwanzig nach zwölf. Ihr siebter Geburtstag war vorbei. Auch den hatte ich also
verpasst. Und auch er würde nie wiederkehren. Lillys Augenlider fielen nun zu, und sie schlief ein. Ich hörte ihr langsames,
ruhiges Atmen, sah auf ihr süßes, kindliches Gesicht. Und ich schwor mir: Ich werde nie mehr einen Geburtstag von Lilly verpassen!
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|166| 35. KAPITEL
Am nächsten Morgen ließ ich mich beim Frühstück von Lilly mit Möhrchen füttern – selbst als Hund war ich durch diese ganze
Wiedergeburtskiste zur überzeugten Vegetarierin geworden (sollte doch jemand anders Konrad Adenauer essen.)
Während dieser gemeinsamen Mahlzeit erfuhr ich so einiges: Nina hatte ihr Reisebüro in Hamburg dichtgemacht und eins in Potsdam
eröffnet. Alex hatte sich seinen langjährigen Traum erfüllt und ein Fahrradgeschäft gegründet, und mit dem Geld, das er dort
verdiente, konnte er tatsächlich das Haus halten. Fahrräder zu verkaufen war ein Traum, den er immer als Alternative zum Studium
hatte. Doch nach Lillys Geburt hatte er ihn erst mal aufs Eis gelegt, um sich um die Kleine zu kümmern.
Aber die interessanteste Erkenntnis des Morgens war: Ich konnte meinen Schließmuskel unglaublich lange zusammenkneifen.
«Ich geh heute nicht zur Arbeit», sagte Nina.
«Warum das denn nicht?», fragte Alex.
«Ich warte auf den Ring», erwiderte sie.
«Aber der kommt doch irgendwann automatisch raus», lächelte Alex. Irgendwie schien es ihm nicht eilig zu sein, dass sich der
Heiratsantrag wiederholte, und das freute mich.
Dann machte er sich fertig, um Lilly zur Schule zu bringen (Mein Gott, sie war tatsächlich schon ein Schulkind!) und anschließend
seinen Fahrradladen aufzumachen. Er zeigte dabei einen Elan, den ich mir früher auch von ihm gewünscht hätte. Und beim Anblick
dieses verwandelten, schwungvollen Alex schoss mir ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf: Nina tut ihm gut!
|167| Das hatte damals ja schon die Meerschweinchenmama gesagt. Und kaum dachte ich an sie, fiel mir Casanova ein. Was war nur aus
ihm geworden? 18
Ich rannte auf die Terrasse und blickte in den Garten, aber es war kein Käfig mehr zu sehen. Keine Meerschweinchen. Kein Signore.
Nina folgte mir nach draußen. Sie zog sich Gummihandschuhe an, nahm sich einen Gartenstuhl, setzte sich vor mich hin und sagte
zuckersüß: «Jetzt mach mal feini.»
Ich kläffte zurück: «Rede gefälligst vernünftig mit mir.»
Und es folgte ein dreistündiges Geduldsspiel.
Mein Beagle-Gesicht schwoll rot an, und ich röchelte: «Iiiichhhh haaaaalt durchhhhh … Kkkk … keinnn … Problemmmm …»
Doch die Zeit spielte Nina in die behandschuhten Hände: Der Ring musste schließlich raus. Kaum lag er auf der Terrasse, griff
sie zu. Dabei seufzte sie: «Was ich nicht alles für die Liebe mache.»
Während ich Nina noch frustriert anblickte, hörte ich hinter mir eine Stimme keifen: «Hey, was ist denn das für ein Hund?»
Ich drehte mich um. Es war meine Mutter, die gerade durch die Gartenpforte kam. Ich freute mich, sie zu sehen. Nach ein paar
Jahren als Tier vergisst man schon mal die Animositäten.
|168| Ich rannte auf sie zu, sprang hoch und bellte freudig: «Wahu-wahu-wahu!»
Martha stieß mich heftig von sich weg: «Spring mich nicht an, du blöder Köter!»
So viel zur Wiedersehensfreude.
«Der Hund ist uns zugelaufen, und jetzt gehört er Lilly», erklärte Nina.
«Und was ist das für ein Ring?», fragte Martha.
«Ich will Alex einen Antrag machen», erklärte Nina.
«Du willst nicht warten, bis Alex dich fragt?», wollte meine Mutter wissen.
«Nein.»
«Gut so! Der kommt von allein ja nie in die Hufe!»
Gut so? – Ich konnte es nicht fassen. Meine Mutter fand das gut? Sie war für Nina? Und damit auch irgendwie gegen mich?
Ich blickte
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