Mieses Karma
jemanden nicht zu lieben», lachte Casanova.
«Was?», fragte ich erstaunt.
«Glauben Sie mir, Madame, mich haben genug Frauen geliebt, die wussten, dass ich sie hintergangen habe. Und ich habe ebenfalls
viele Frauen geliebt, die mich betrogen haben. Eifersucht ist kein Hinderungsgrund für die Liebe.»
Ich staunte. Casanova hatte eine beneidenswerte Art, moralische Liebesfragen in eine ihm genehme Perspektive zu rücken.
«Oder lieben Sie Monsieur Alex etwa weniger, nur weil er mit Madame Nina den Beischlaf vollzieht?»
Ich war verwirrt: Die Frage, ob ich meinen Mann noch |178| liebte, warf mich aus der Bahn. Ich hatte sie mir seit den Stromschlägen im Labor nicht mehr gestellt …
«Wenn wir die Hochzeit verhindern, haben wir eine Chance, unsere Lieben wiederzubekommen.»
«Ich will Alex aber gar nicht wieder», sagte ich mit der Vehemenz der plötzlich Verunsicherten.
«Sind Sie sich da sicher?», fragte er.
«Ja!», erwiderte ich noch vehementer.
Aber Kater Casanova grinste nur besserwisserisch.
Ich fühlte mich ertappt und konterte: «Das ist ja auch egal. Die werden sich nie in uns verlieben. Wir sind Tiere!»
«Vielleicht werden wir ja irgendwann als Menschen wiedergeboren, wenn wir genug gutes Karma sammeln.»
Da war was dran: Buddha hatte ja gesagt, dass das hier mein letztes Leben als Tier sein könnte. Und mir fiel wieder meine
Phantasie ein, in der ich als Achtzehnjährige den fünfzigjährigen Alex küsse. Bei dieser Vorstellung kribbelte es in meinem
Magen. Sollte Casanova recht haben: Wollte ich Alex wieder?
Jedenfalls musste ich mir eingestehen, dass ich mir den Beinamen «Verhütungsmittel» eingehandelt hatte, weil ich eifersüchtig
auf Nina war.
Leider hatte Casanovas Logik aber einen kleinen Webfehler: «Wenn wir die Hochzeit verhindern, sammeln wir mieses Karma!»,
wandte ich ein. «So werden wir nie zu Menschen.»
Doch Casanova lächelte nur ein freches Katerlächeln: «Wie kann man mieses Karma sammeln, wenn man etwas aus Liebe tut?»
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|179| 38. KAPITEL
Um eine Hochzeit zu torpedieren, gibt es nichts Besseres, als das Hochzeitskleid zu zerstören.
Nina hatte dafür gesorgt, dass die kirchliche Trauung zuerst stattfand: «Wenn ich das erste Mal ‹ja› sage, dann will ich es
nicht in einem Standesamt tun, sondern ganz in Weiß in der Kirche», hatte sie zu Alex gesagt, und auch den Pastor hatte sie
von dieser ungewöhnlichen Hochzeitsreihenfolge überzeugen können.
Die Sonne schien, als der Hochzeitstross aus unserem Haus trat. Selbst das verdammte Wetter war auf Ninas Seite! Die Frühlingsblumen
rochen himmlisch. Aber Alex sah noch himmlischer aus. Er ging in einem wunderbaren schwarzen Smoking auf die weiße Limousine
zu, die er extra für diesen Anlass gemietet hatte. Alex trug eine Fliege – so blieb er sich in seiner Krawattenabneigung treu
– und hatte Lilly untergehakt, die in ihrem niedlichen rosa Kleid die wohl süßeste Rosenstreuerin war, die man sich nur vorstellen
konnte. Alex sagte zu ihr: «Du siehst aus wie eine Prinzessin», und gab ihr ein Küsschen. Lilly lächelte strahlend: Anscheinend
hatte sie mit der Vermählung ihren Frieden gemacht.
Ganz im Gegensatz zu mir!
Als Nächstes trat meine Mutter aus dem Haus. Sie sah schick aus – jedenfalls für ihre Verhältnisse – mit einem blauen Hosenanzug
und einer neuen Frisur.
Und dann kam Nina.
«O mein Gott, was für eine wunderbare Erscheinung», sagte Casanova. Und ich dachte: «Scheiße, er hat recht!»
Nina sah phantastisch aus, das weiße Kleid war dezent und betonte ihre Figur auf geradezu unverschämte Art und |180| Weise. Um so ein Kleid tragen zu können, müssten die meisten Frauen ein Dauerabo beim Schönheitschirurgen bestellen.
Ich riss mich zusammen und konzentrierte mich auf meine Aufgabe: Da Nina mich wohlweislich nicht mit in die Kirche nehmen
wollte, war jetzt – vor der Abfahrt – der große «Hochzeitskleid-Zerstör-Moment» gekommen.
Ich war mir nicht sicher, ob ich Alex wirklich wiederhaben wollte, aber ich wusste ganz genau, dass ich diese Hochzeit nicht
ertragen würde.
Ich lief auf Nina zu. Sie blickte in meine Augen, ahnte, was kommen würde, und rief: «O nein! Schafft mir den Hund vom Hals!»
Meiner Mutter musste man das nicht zweimal sagen. Sie schnappte sich den Brautstrauß und prügelte damit auf mich ein. «Nimm
dies! Und das! Du verdammter Köter!»
Ich ließ mich von ihr zurücktreiben, denn ich war ja nur
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