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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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hoffte, dass ich durch diese Aktion nicht wieder sterben würde.
     
    Gott sei Dank brach ich mir nicht das Genick, sondern landete verhältnismäßig weich auf meiner Mutter, die danach Flüche ausstieß,
     die in dieser Kirche sicherlich noch nie zu hören waren. Ich vermutete, dass jeden Augenblick das Kruzifix vor Scham herunterfallen
     würde.
    Durch meinen Stunt brach in der Kirche die Hölle los: Die Gäste redeten aufgeregt durcheinander, der Pastor brach mitten im
     Satz ab, und Nina zischelte Alex wütend zu: «Wir haben den Hund doch zu Hause gelassen!» Und man hörte förmlich heraus, wie
     sie dabei dachte: «Wir hätten ihn lieber an einer Raststätte aussetzen sollen. Am besten im Südjemen.»
    |184| Der einzige Mensch im ganzen Kirchenschiff, der sich aus vollem Herzen freute, mich zu sehen, war Lilly. Die Kleine lief auf
     mich zu und sagte: «Hey, Tinka, was machst du denn hier?» Sie wollte mich in den Arm nehmen. Und obwohl ich Lilly auch gerne
     gekuschelt hätte, wich ich ihr aus und rannte auf den Altar zu. Dort schnappte ich mir die Schachtel, in der die Ringe lagen,
     und sauste davon.
    Nina schrie: «Haltet ihn!»
    Martha ließ sich das nicht zweimal sagen und rannte hinter mir her. Ich war zwar schneller als sie, aber die Tür war ja geschlossen.
     Es war ein Weg, der zwangsläufig in einer Sackgasse enden musste. Meine Mutter war schon kurz hinter mir. Ich musste abbremsen.
     Jeden Augenblick würde sie mich packen   …
    Doch da öffnete sich die Pforte. Casanova hockte auf der Klinke und grinste mich an. Er war eben ein Meister der Rettung in
     letzter Sekunde. Ich rannte aus der Kirche. Casanova folgte mir. Ebenso wie meine Mutter und noch einige andere Mitglieder
     der Festgemeinde. Doch sie hatten keine Chance, mich zu schnappen und die Ringe zu retten, denn im Gegensatz zu ihnen machte
     es mir nichts aus, durch den nahe gelegenen Fluss hindurchzuschwimmen.

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    40.   KAPITEL
    Am Abend kehrte ich zu unserem Haus zurück, begleitet von Casanova. Die Ringe hatten wir zuvor in der Nähe verbuddelt. Als
     wir uns dem Haus näherten, sah ich, wie Alex – noch immer im Smoking – auf der Terrasse saß und frustriert vor sich hin starrte.
     Nina war nirgendwo zu sehen. Vermutlich saß sie irgendwo im Haus und weinte. Ich bedeutete |185| Casanova, hinter dem Gartenschuppen zu warten, und ging vorsichtig auf Alex zu.
    Er schaute mich an. Nicht wütend. Nur matt.
    Ich hockte mich zu ihm.
    «Hi», sagte er müde.
    «Hi», jaulte ich leise.
    «Ich hab keine Ahnung, was in dich gefahren ist», sagte er. «Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist Kim.»
    Mein Herz stand still.
    «Irgendwie wiedergeboren», ergänzte er schwach lächelnd.
    Ich wusste nicht, was ich bellen sollte.
    «Wenn du Kim bist, kannst du ja mit dem Schwanz wedeln», sagte Alex, halb bitter, halb spöttisch.
    Was sollte ich nun tun. Mit dem Schwanz wedeln? Aber was dann?
    Bevor ich mich überhaupt entscheiden konnte, redete er weiter: «Wenn du wirklich Kim wärst, würde ich dir verzeihen, dass
     du mich mit diesem Kohn betrogen hast.»
    Ich blickte verschämt zur Seite.
    «Und ich würde dich bitten, mir die Erlaubnis zu geben, Nina zu heiraten.»
    «Nie im Leben!», kläffte ich.
    Alex erwiderte: «Sie macht mich glücklich. Mit ihr kann ich die Zukunft leben. Mit dir nur in den Erinnerungen.»
    Das verunsicherte mich.
    «Ich würde auch noch sagen, dass Lilly eine Mutter braucht. Nina gibt sich alle Mühe, eine zu sein. Ich habe von ihr noch
     kein einziges böses Wort über die Kleine gehört.»
    Ich auch nicht, wenn ich ehrlich sein sollte.
    «Und Lilly ist drauf und dran, sie endlich zu akzeptieren.»
    |186| Ich dachte an Lillys strahlendes Lächeln, als Alex ihr ein Kompliment über ihr Rosenstreuerin-Kleid gemacht hatte.
    Nina konnte besser mit Alex umgehen als ich, besser mit meiner Mutter – würde sie auch Lilly eine bessere Mutter sein, als
     ich es je war?
    Das wäre wahrscheinlich nicht mal so schwierig, dachte ich plötzlich deprimiert.
    «Aber vor allen Dingen», redete Alex weiter, «vor allen Dingen würde ich dich inständig bitten, mich mein Leben leben zu lassen.»
     Und dann fügte er nach einem tiefen Seufzer hinzu: «Aber du bist ja nicht Kim.»
    Ich bellte hastig: «Doch, bin ich! Und ich kann vielleicht als Mensch wiedergeboren werden, und dann können wir uns in spätestens
     zwanzig Jahren treffen, und du bist dann erst zweiundfünfzig und ich zwanzig, und wir

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