Mika, Bascha
für sie alltäglich, ihren Körper einzusetzen und
auszustellen. Es muss ja nicht immer so bescheuert enden wie mit Niko. Das Äußere
prägt ihr Bild von Weiblichkeit. Frau ist Body. Das kriegt sie auf jedem Cover,
auf jedem Plakat, an jeder Straßenecke, in jedem Mädchenmagazin mit, warum
soll sie es mit ihren fünfzehn Jahren denn anders sehen?
Bin ich
sexy? Bei Schüler-VZ, einem der sozialen Netzwerke im Internet, ist die
Selbstvermarktung bestens zu beobachten. Junge Mädchen präsentieren sich dort
mit Filmen und Fotos, in denen sie in Unterwäsche auf ihrem Bett posieren,
möglichst erotisch. Sie pornographisieren ihr Äußeres, ihre Gestik und Mimik —
während die um sie herum hockenden Kuscheltiere verraten, wie kindlich ihr
Horizont ist. Wenn man die Mädchen fragt, was sie da treiben, sind die Antworten
lapidar: Weil es alle machen und weil sie nicht prüde sein wollen.
Eltern,
Lehrer, Erzieher und die üblichen gesellschaftlichen Bedenkenträger reagieren
verstört und können das Verhalten der Jugendlichen nicht nachvollziehen. Warum
eigentlich nicht? Es ist doch ihre eigene Welt - die Welt mit den Spielregeln
der Erwachsenen -, in die diese Mädchen hineinerzogen werden und die sie sich
aneignen.
Die Kröte
Selbstbewusst.
Neugierig. Cool. Noch nie waren Mädchen in diesem Land so privilegiert. So
klug, so gebildet, so ehrgeizig, so gut in der Schule, so fit bei den
Abschlüssen. Nichts und niemand hindert sie, ihren Weg zu gehen und ihren
Plänen zu folgen. Alles wartet doch nur darauf, dass sie später als junge,
intelligente Frauen einen Platz in der Gesellschaft erobern. Selbstverständlich
an der Seite der Männer und nicht irgendwo in der zweiten und dritten Reihe
dahinter. Auf Augenhöhe. So ist es doch, das werden sie doch, oder?
Und was
machen diese klugen Mädchen, wenn sie nicht gerade Algorithmen lösen?
Nehmen wir
Lena. »Beweg dich! Los, mehr! Wälz dich!« Lena ist siebzehn, ihre Maße kann die
interessierte Öffentlichkeit im Netz nachlesen: 177 cm, 89-64-89. An einem
bitterkalten Tag räkelt sich Lena, nur mit stinkenden, glitschigen Algen umwickelt,
an einem Sandstrand und im eisigen Meer. Sie macht ein Fotoshooting für GNTM, Germany's Next Topmodel. Eigentlich will sie sich nicht
nackt zeigen, und die Algen findet sie total ekelhaft. Aber sie macht mit,
während Heidi Klum, die Domina der Reality-Show des Privatsenders ProSieben,
davon quasselt, dass alles zum Model-Job gehört, was der Fotograf verlangt. Und
zu Hause hocken dann all die anderen klugen Mädchen vor der Glotze, starren auf
Lena, und viele wären auch gern dabei und würden ebenfalls tun, was die da tut. 1
Bei einer
Befragung von tausend britischen Mädchen zu ihrem Berufswunsch gaben sechzig
Prozent an: Model! Das sei ihr Karriereziel. 2 Als ginge es hier um
ein ernst zu nehmendes neues Berufsfeld. Auch auf erwachsene Frauen übt das
Sich-zur-Schau-Stellen eine erstaunliche Faszination aus. 2009 beschloss die
Zeitschrift Brigitte, auf
Profimodels zu verzichten und für ihre Fotostrecken nur noch Alltagsfrauen
abzulichten. Die Leserinnen wurden aufgefordert mitzumachen, und innerhalb
eines Jahres meldeten sich rund siebenundzwanzigtausend Frauen jeden Alters, um
einmal im Leben Model zu spielen. 3
So träumen
schon Zwölfjährige von Brustvergrößerungen und aufgespritzten Lippen, von neuen
Nasen und weggeschnibbelten Speckrollen. Privatsender wie MTV und ProSieben
zeigten Doku-Serien mit Schönheitsoperationen, das klassische Vorher/Nachher:
Die mit ihrem Aussehen unglückliche Kandidatin, den Einsatz des Skalpells, das
blutige Procedere, die Schmerzen, die Ängste und am Schluss den bombastisch-kitschigen
Auftritt des hässlichen Entleins, das zum Schwan gequält wurde. Bei
jugendlichen Zuschauern waren diese Sendungen ein Renner. 4
Body-Modifikation,
perfektioniere deinen Körper! Das fällt vielen Mädchen heute ein, wenn es um
ihr Selbstbild geht. Glaubt man der Jiraw-Studie von 2009, sind nur gut die
Hälfte der Mädchen zwischen elf und siebzehn Jahren mit ihrem Aussehen und
ihrem Gewicht zufrieden. Erfolg ist für sie eine Sache von schlanker Figur,
schönen Haaren, flachen Bäuchen und prallen Brüsten.
Und dann
die Model-Show. Bei den vierzehn- bis neunundzwanzigjährigen Frauen erreichte
die Sendung zeitweise eine Einschaltquote von über vierzig Prozent. Seit der
ersten Staffel 2006, bei der sich gut elftausend Kandidatinnen beworben hatten,
ist deren Zahl ständig gestiegen.
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