Mika, Bascha
Frauen wollen nur noch
über ihr Äußeres bewertet werden.
Okay,
warum auch sollten sie sich verleugnen? Das ist doch völlig gestrig. Freier
Umgang mit dem Körper, offene Sexualität, das gehörte schließlich mal zum
Frauenbefreiungsprogramm. Und sie sind doch so selbstbewusst, dass sie sich
längst nicht mehr vorschreiben lassen, was mit ihnen und ihrem Körper
passiert. Also wo ist das Problem?
Vielleicht,
weil sie das mit der befreiten Sexualität gründlich missverstanden haben?
Die role
models, die sich diese Generation erkoren hat, machen die Sache nicht wirklich
besser. Darunter sind Frauen, die angeblich souverän und ironisch mit
weiblichen Klischees spielen können. Zum Beispiel Charlotte Roche, die Moderatorin
und Bestsellerin.
Seit die
Bundesregierung im Herbst 2010 die dreiste Entscheidung traf, die Laufzeiten
für Atomkraftwerke zu verlängern, ist die Anti-AKW-Bewegung wieder auf der
Straße. Und so kam Charlotte Roche, das beste weibliche Selbstvermarktungstalent
seit Verona Feldbusch, auf die Idee: Erstens im Wendland ein bisschen
mitzudemonstrieren, »um nicht einfach nur dagegen zu sein«. Und zweitens dem
Bundespräsidenten Christian Wulff, der das Gesetz zur Verlängerung der
AKW-Laufzeiten absegnen muss, einen Deal vorzuschlagen. »Ich würde anbieten,
mit ihm ins Bett zu gehen, wenn er es nicht unterschreibt.« 7
Sehr
komisch, Frau Roche. Haben Sie als Einsatz wirklich nicht mehr zu bieten?
Vielleicht
sollte man Charlotte Roche mal sagen, dass die australische Sängerin Kylie
Minogue so eine Pose bereits vor zehn Jahren perfekt und wenigstens witzig
verkauft hat. »Kylie Minogue: Ich bin eher wie ein Stückchen Treibholz, das
andauernd in irgendwelche Ecken gespült wird, in die es eigentlich lieber
nicht will.
Süddeutsche
Zeitung Magazin: Wie bei einer gefährlichen Liebschaft? K. M.: Ach
was, Männer sind doch so leicht zu durchschauen. SZ Magazin: Ja?
K.M.: Bei
denen kommt in jeder Unterhaltung irgendwann der Punkt, wo es mehr oder weniger
dezent in Richtung Sex geht.
SZ Magazin: Und
das nervt Sie?
K.M.: Nö,
die meisten sind ja ganz nett. Außerdem flirte ich selbst mit allem, was nicht
schnell genug auf dem Baum ist. Eine Zeit lang hatte ich mir vorgenommen, nicht
mehr so viel mit Männern zu spielen, aber das lässt sich auf Dauer einfach
nicht mit meinem Charakter vereinbaren. Abgesehen davon verlangt mein Beruf,
dass ich ein gewisses Maß an Verfügbarkeit suggeriere. Das fällt mir nicht
schwer.« 8
Der Bruch
Niemand
redet heute mehr von Sexismus. Und das ist wahrscheinlich auch gut so. Der
Begriff klingt altbacken und riecht ein bisschen streng. Die einen erkennen
Sexismus, wenn er ihnen begegnet. Und die anderen - wie Britt und die Models -
würden ihn nicht erkennen, egal, wie man ihn nennt. Er ist Alltag.
Und es
ging ihm noch nie so gut. Er gehört zum Grundrauschen in der Gesellschaft und
wird immer seltener bewusst wahrgenommen, weil er sich nicht mehr abhebt. Er
muss sich auch gar nicht mehr anstrengen, Mädchen und Frauen irgendwie
zuzurichten. Er ist längst Teil ihres Denkens und Handelns. Sie machen
bereitwillig mit. Ganz freiwillig.
Doch damit
tanzen sie fröhlich in die Falle. Wenn Mädchen die Regeln der Modelzucht
akzeptieren, sich deren Bilder als Selbstbilder aneignen, werden sie es auch im
weiteren Leben tun. Später, an anderen Schnittstellen ihrer Biographie. Denn
auch freiwillige Unterwerfung will gelernt sein. Und die üben sie gerade sehr
schön ein.
Bereits
junge Mädchen fangen an, dafür den Preis zu zahlen: Für die paradoxen
Botschaften, mit denen sie konfrontiert sind. Einerseits wachsen sie mit dem
Gefühl auf: »Alles ist möglich.« Andererseits werden sie durch die Weiblichkeitsbilder
in der Öffentlichkeit immer wieder in alte Rollen zurückgestoßen, bis sie die
nicht nur erfüllen, sondern übererfüllen.
Nicht nur
versuchen, Weibchen zu werden, sondern gleich Superweibchen.
Es ist
eine zerstörerische Kraft, die an ihnen zerrt. Wenn man sich anschaut, wie
viele Mädchen mit Krankheitssymptomen darauf reagieren, mit Essstörungen und
Selbstverletzungen beispielsweise, lässt sich ahnen, welcher Gefahr sie durch
die widersprüchlichen Eigen- und Fremderwartungen ausgesetzt sind. Welche
dramatischen Folgen die paradoxen Verschreibungen für die nachwachsende
Generation haben können.
Die Pest
Jedes
Programm wird irgendwann gestartet. Wann? Wie?
Wer
derzeit an kleine Mädchen denkt, sieht rosa. Selten wurde eine
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