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Mika, Bascha

Mika, Bascha

Titel: Mika, Bascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Feigheit der Frauen
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ist? So märchenhaft überhöht und ideologisch missbraucht,
religiös verwoben und tiefenpsychologisch seziert, so literarisch
durchgeknetet, zeitgeistmäßig überformt, gesellschaftlich aufgeladen? Der mal
vor Kitsch trieft, mal mit Schuld überhäuft wird, nie nüchtern daherkommt,
sondern immer in Gefühlen ertränkt wird. Gibt es irgendeinen Begriff, der so
funktioniert wie: Mutter?

 
    Ich geh klaun/
    scheiß auf Fraun/
    und nehm Drogen/
    doch Mama kann mir vertraun...
     
    So rappt
der deutsche Hipp-Hopper Sido. Sein Kollege Bushido findet es zwar okay, Frauen
zu prügeln: »Wenn ich in einer Disco bin und eine Frau sagt: >Pass mal auf,
du Hurensohn ...<, dann hau ich ihr in die Fresse.« 3 Und er
findet auch nichts dabei, Groupies zu verhöhnen: »Wenn nach dem Konzert vier
Mädchen am Tourbus warten und mit mir vögeln wollen, dann sind das für mich
Objekte!« 4 Aber seine Mutti ist die Beste und »der wichtigste
Mensch, den ich habe«. 5 Ihr hat er ein schickes Haus in Berlin
gebaut, in das er nach anstrengenden Acts immer wieder zurückkehrt wie ein
braves Muttersöhnchen.
    Die ideale
Mutter ist überall. Selbst in einem so brutal machistischen Musikgenre wie dem
Gangsta-Rap ist sie voll präsent: »Ain't a woman alive that could take my
mama's place.« Die Rapper lieben Mutterhymnen, die nichts anderes sind als eine
zeitgemäße Krawall-Variante von Heintjes »Mama«. In den Texten wird die
heroische Mutter als Gegenentwurf zum weiblichen Restmüll gebraucht. Alles
Fotzen, außer Mutti! - so lässt sich das Frauenbild im Gangsta-Rap knapp
zusammenfassen.
    Wenn diese
wütenden Männer ihre Jämmerlichkeit rhythmisch rauskotzen, ist die Mutter die
einzige Frau, bei der sie Schwäche und Gefühle zeigen dürfen. Mutterliebe ist
ein Zeichen von Stärke. Und die Mutter eine Komplizin, die ihren Sohn versteht
und nicht aufgibt, selbst wenn er noch so unartig ist.
     
    Ich weiß wenn ich alt bin/
    und Mama noch älter/
    hält sie immer noch zu mir/
    als war sie mein Zuhälter... 6
     
    Wenn auch im Ausdruck extrem,
machen die Rapper doch vor, wie es läuft: Als Frau geprügelt, als Mutter
vergöttert. Werd Mutter, Frau!
     
    Muttersein
ist schick. Und Mutterfantasien finden überall einen Platz zum Andocken: Bei
Mutter Maria oder Mommy Madonna. Bei kindstötenden Blumentopf-Müttern oder
Nimm -2- Werbemuttis. Bei Mutter-der-Nation
Beimer oder Modelmutti Klum. Beim Mutterkreuz der Nazis oder bei Mama Wutz aus
der Augsburger Puppenkiste, dem ungemein reinlichen und leicht erregbaren
Mutterschwein, das sich ums Urmel aus dem Eis kümmert.
    Und damit
uns das Material niemals ausgeht, ist immer Muttertag. Seine Vorbereitung
beginnt bei dem kleinen Mädchen, das die Rolle trainieren muss. Das deshalb
mit Puppe samt Babyzeug und Wägelchen auch heute noch bestens ausgestattet
wird. Das im Kindergarten Papa-Mama-Kind übt, zu Hause die kleinen Geschwister
betreut und als Jugendliche vom Familiennest träumt. 7
    Das
Programm ist gestartet. All diese Mädchen werden mit der Sehnsucht nach
Mutterschaft geimpft, als einzigartiger Bereicherung ihres Lebens. Wenn sie
sich ihre Zukunft vorstellen, denken sie den Nachwuchs gleich mit. Denn sie
erwarten Großes vom Kind: tiefste Befriedigung und letzten Sinn. Diese
hochgetunte Hoffnung nehmen sie mit ins Erwachsenenleben.
     
    Dazu
gehört die Gleichung: Frau = Mutter. Schließlich passt es nicht ins weibliche
Erziehungsprogramm, zwischen Frau- und Muttersein zu unterscheiden. Obwohl sich
das Frauenbild in den letzten Jahrzehnten vielfach umgekrempelt hat, lebt das
alte Mutterdiktat zäh weiter: Nur eine Mutter ist eine vollständige Frau. Eine,
die ihrem Lebenszweck und ihrer Bestimmung gerecht wird. Der Kinderwunsch wird
als gegeben vorausgesetzt, als würde er vom Erbgut ins weibliche Hirn gepflanzt
und ausschließlich von der Natur gesteuert. Und auch die Frauen selbst sind es,
die an das Muttergen glauben.
     
    In unserem
Kulturkreis ist es noch gar nicht so lange her, dass die Existenzberechtigung
von Frauen an ihrer Gebärfähigkeit hing. Vor allem daran, Söhne zur Welt zu
bringen. Noch heute müssen sich Kandidatinnen auf eine Adelskrone peinlichen
Untersuchungen unterziehen, was diesen Punkt angeht. Hatte eine Königin da
früher ein Problem und zugleich einen durchgeknallten Ehemann, konnte es sie
manchmal sogar den Kopf kosten - wie die bedauernswerte Anne Boleyn am eigenen
Leib erfahren musste; sie war im 16. Jahrhundert die Gattin des englischen
Königs Heinrich

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