Milano Criminale: Roman (German Edition)
Antonio und steckt ihr den Ring an den Finger.
Carla lächelt. Ihre Augen strahlen vor Glück. Sie küsst ihn und sagt ja.
9
Chantal schaut mit dem Kopf aus dem Verdeck heraus. Die Meeresbrise fährt ihr durchs Haar, die Sonne spiegelt sich in ihrer Sonnenbrille, die Côte d’Azur liegt ihr zu Füßen.
Die gefälschten Pässe, die sie sich vor der Abfahrt besorgt haben, waren einfach perfekt: An der Grenze hat niemand Ärger gemacht. Lampis lächelt und streichelt die Oberschenkel seiner Frau. Er hat sich die langen Locken geschnitten und den Schnurrbart abrasiert. Nichts an ihm erinnert mehr an das Fahndungsfoto, das die Grenzbeamten in ihren Kabuffs hängen haben. Und auch nicht an das von Nicolosi, der sich damit abgefunden hat, dass er wieder einmal verloren ist.
»Beim dritten Mal lege ich ihn um, wenn er da ist«, hatte er bitter gesagt. Und sollte recht damit behalten.
Unterhalb der Autobahn zieht Menton an ihnen vorbei. Der Verbrecher ist guter Dinge. Er ist noch einmal davongekommen und bereit, mit Hilfe der Bekanntschaften seiner Frau eine neue Nation zu erobern; ihre intimen Kenntnisse der einschlägigen Marseiller Kreise werden ihm sicherlich genug Gelegenheit bieten, in der Verbrecherwelt jenseits der Alpen Fuß zu fassen. Was ihn am meisten erregt, ist das Wissen, dass niemand etwas von seiner erfolgreichen Flucht ahnt. In Italien mobilisieren sie gerade sämtliche Kräfte für die Jagd auf den Mann ohne Zuhause. Alles und jedes schiebt man dort Lampis in die Schuhe. Es tauchen sogar Zeugen auf, die ihn bei dem einen oder anderen Coup erkannt haben wollen.
Die Mailänder Polizei blickt nicht mehr durch. Und er lacht sie aus.
Und während man dem Solisten an der Maschinenpistole selbst jene Raubüberfälle in die Schuhe schiebt, die aufs Konto der noch unbekannten Bande der ›netten Jungs von Angera‹ gehen, sitzt er auf der Promenade des Anglais in Nizza in der Sonne.
Nach einer Woche ausgiebiger Entspannung und zügellosen Luxus im Hotel Negresco beschließt das Paar, sich wieder an die Arbeit zu machen. Chantal hilft ihm bei den Überfällen, und schon bald schließen sich ihnen drei weitere Komplizen an, darunter Annette, eine französische Freundin von ihr. Sie ist fast so etwas wie eine Schwester, und Lampis geht sofort so vertraut mit ihr um, dass zwischen ihnen eine ungute ménage à trois entsteht, die den Solisten an der Maschinenpistole sozusagen über Nacht zum Bigamisten macht. Das Geld strömt immer schneller aus seinen Taschen, nun wo er die Kapriolen zweier Damen bezahlen muss. Die gerne bereit sind, sich den Mann im Bett zu teilen, sich bei Schmuck oder Schuhen und Pelzen aber nicht annähernd so großzügig zeigen. Sie werden ein Trio, zu dem noch zwei weitere Gauner gehören, ein belgischer Frittenfresser aus Brüssel und ein Algerier. Pochards aus der Hafengegend, die schnell ziehen und langsam denken. Ideale Handlanger für Raubüberfälle.
Lampis hat Französisch gelernt und spricht es dank seiner Frau ganz leidlich, wenngleich ihm sein italienischer Akzent wohl auch mit einem Intensivkurs kaum abzutrainieren wäre.
Bald schon hat man auch jenseits der Alpen begriffen: Der Gangster mit dem rollenden R überfällt Banken genau wie der Gesuchte in Italien, von dem die Zeitungen des Belpaese voll sind.
Nun ist es an Nicolosi, den Gefallen zu erwidern und der Gendarmerie einen detaillierten Bericht mit allen Taten des Solisten an der Maschinenpistole zukommen zu lassen.
Mittlerweile ist die Bande ein eingespieltes Team. Die französische Presse widmet ihr die dicksten Schlagzeilen. Zum Beispiel als sie am Steuer eines Krankenwagens, er und die zwei Komplizen als Pfleger verkleidet, ein Krankenhaus ausrauben und mit einer Beute von ein paar Millionen Francs nach Hause fahren.
Ein anderes Mal beschließen sie nach einem Bruch, der ein ansehnliches Sümmchen gebracht hat, im Casino von Nizza ihren Erfolg zu feiern. Roulette, Poker, Champagner: Innerhalb weniger Minuten ist alles verloren.
Als sie draußen stehen, hat Lampis einen Einfall.
»Jungs«, sagt er, »holt die Artillerie, dann gehen wir zurück und holen uns unser Geld wieder.«
Eine Stunde später betreten sie erneut das Casino, um ihren Gewinn einzutreiben, doch leider wurde das Geld kurz zuvor auf die Bank gebracht, so dass sie nur ein Viertel der Ausgangssumme zurückbekommen.
Lampis nimmt es auf die leichte Schulter; immerhin bewahrt auch er seinen Schatz in der Obhut einer Schweizer Bank auf.
»Fürs
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