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Milas Lied

Milas Lied

Titel: Milas Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Keil
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heute keine Sekunde darüber nachgedacht hatte, dass Mila womöglich ein befristetes Visum hatte, um hier zu sein. Okay, ich hatte mich mit diesem Thema bisher nie beschäftigt und außerdem wäre ich nicht im Traum auf die Idee gekommen, dass Mila vielleicht gar kein Recht hatte, hier zu sein, oder gegen irgendein Gesetz verstieß. Es war mir so selbstverständlich erschienen, dass sie hier wa r – und ihr doch auch.
    Wenn ich auch nicht viel über Mila wusste, so ahnte ich doch, dass sie zumindest nicht nach Rostow zurückgegangen war. Ich erinnerte mich, wie barsch sie auf meine Nachfragen reagiert hatte, wenn es um ihre Heimatstadt ging. Sie hätte nie dorthin zurückgewollt, jedenfalls nicht jetzt. Aber vielleicht war sie ja woanders hingezogen?
    So schwer es mir auch fiel und ganz gleich, wie aufgewühlt ich war, ich musste einsehen, dass meine Überlegungen nirgendwohin führten. Mir blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten, genau wie die letzten zwei Monate. Wer weiß, vielleicht bekam ich ja irgendwann mal eine Postkarte mit einem Rentier drauf.

Mila, Mila, duscha…
    Mila, Mila, duscha moja , nichts passiert. Alles gut. Nicht stehen bleiben. Nicht umdrehen. Er folgt dir nicht. Kann er gar nicht. Dein Tritt war fest und genau.
    Wohin denn jetzt?
    Unwichtig. Einfach laufen, den warmen Abendwind spüren und hören. Wieder alles hören. Hörst du? Alles ist Musik.
    Wsjo budjet choroscho.
    Ja, alles wird gut.
    Ich summe das Lied von den Kirschen. Das Beben in meinem Hals tut gut. Ich lasse mich ins Gras fallen, es war auf einmal da. Ich reiße ein Büschel aus. Es quietscht. Grüner Saft. Grüne Seife.
    Meine Hände zittern. Meine Wange brennt.

Ich bekam keine…
    Ich bekam keine Postkarte. Ich bekam Besuch. Als Mila zwei Wochen später bei uns auftauchte, wusste ich nicht, ob ich sie umarmen oder ihr die Tür mit Schwung vor der Nase zuschlagen sollte.
    »Hallo, Rike.«
    »Hallo.«
    »Ich weiß, ist schon spät. Kann ich vielleicht reinkommen?«
    »Wie bitte?«
    »Hab hier in der Gegend gespiel t … ich dachte, ich sage mal Hall o …«
    »Mila, so läuft das nicht!«
    »Was?«
    »Ich hab mir Sorgen gemacht!«
    »Sorgen? Warum denn?«
    »Sag mal, geht’s noch? Ich warte seit Wochen darauf, dass du dich mal meldest, ich hab tausendmal bei dir angerufen und dann tauchst du einfach auf und tust so, als wär nix gewesen?«
    »Ich hab kein Guthaben mehr auf dem Handy.«
    »Du weißt, wo du mich findest.«
    »Ich hatte viel zu tun.«
    »Schön für dich.«
    »Gut, ich verstehe. War eine blöde Idee, hierherzukommen.« Mila machte auf dem Absatz kehrt, wobei sie leicht ins Schwanken geriet. Sie war ziemlich bepackt. Mit ihrer Tasche, einem großen Rucksack und Werner beladen stieg sie schaukelnd die knarrenden Stufen hinunter.
    »Mil a … Mila, jetzt warte doch mal!«
    Mila blieb stehen.
    »So hab ich das doch nicht gemeint.«
    Mila lag in meiner Hängematte und schaute aus dem Fenster. Es war mir nicht recht, dass sie es sich gleich so gemütlich bei mir machte, kaum dass sie ihr Gepäck abgestellt hatte. Aber irgendwie wirkte sie auch erschöpft und müde, darum ließ ich sie. Ich setzte mich auf den Boden neben ihre Sachen und schaute sie erwartungsvoll an.
    »Fledermäuse.«
    »Was?«
    »In eurem Hinterhof wohnen zwei Fledermäuse. Wusstest du, dass die Glück bringen? In Südamerik a …«
    »Mila, ich will mich mit dir jetzt nicht über Fledermäuse unterhalten.«
    Mila verstummte. Ich dachte, dass sie nun endlich anfangen würde, mich in zwei bis drei ihrer Millionen Geheimnisse einzuweihen, aber ich wartete umsonst. Mila starrte einfach weiter in die Bäume im Hinterhof. Die Zweige der Birken sahen in der Dämmerung fast schwarz aus.
    »Ich hab mit Andreas telefoniert«, begann ich.
    »Dann weißt du ja Bescheid«, sagte sie bloß.
    Ein dumpfer Schmerz fuhr mir durch den Magen. Der is eigentlich alles zuzutrauen , hallten die Worte in meinem Kopf.
    Andreas hatte also Recht gehabt.
    »Willst du mir nicht mal erzählen, was los ist?«, fragte ich sanfter.
    Mila wollte nicht.
    »Wo warst du die ganze Zeit?«, versuchte ich es noch einmal. »Un d … und wieso bist du überhaupt noch hier?«
    Ich bekam keine Antwort. Für einen Moment dachte ich, Mila wäre eingeschlafen, doch als ich mich streckte, konnte ich erkennen, dass ihre Augen offen waren. Aber sie rührte sich nicht. Sie zwinkerte nicht einmal.
    »Hast du denn keine Angst, dass sie dich erwischen?«, fragte ich leise.
    Mila schüttelte den

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