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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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indessen die Stirnlampe eingeschaltet und leuchtete damit in den Schacht hinein.
    Du glaubst doch nicht etwa, der Täter wäre hier durchgekrochen?
    »Ich«, sagte Fanni leise, »würde durchpassen.« Und zum Beweis dafür steckte sie Arme, Kopf und Schulter in den Schacht. Der Lichtkegel der Lampe, die sie sich aufgesetzt hatte, zeigte ihr, dass er schräg abwärts verlief und circa eineinhalb Meter lang war.
    Fanni robbte vorwärts.
    Spinnst du? Was, wenn du stecken bleibst? Was, wenn du wie eine Kanonenkugel durchschießt und mit dem Kopf irgendwo unten aufschlägst?
    »Was, wenn ich einfach tue, was mir passt?«, sagte Fanni und robbte weiter. Als sie den Po in den Schacht zwängte, merkte sie, dass er genau die richtige Größe hatte, sodass sie weder zu schnell abwärtsrutschen noch stecken bleiben konnte.
    »Ätsch!«
    Du bist albern und kindisch, Fanni Rot! Ach, was sag ich, völlig plemplem bist du!
    Fannis Kopf und Arme waren an der jenseitigen Öffnung des Schachtes angelangt. Ihr gesamter Körper steckte in der Röhre, nur die Füße ragten noch ins Bogner’sche Behandlungszimmer. Sie presste die Fußrücken an die Mauer, sodass sie einen Widerhaken bildeten, der ihrem Körper Halt gab.
    Als ihre Stirnlampe den Raum beleuchtete, in dem der Schacht endete, gewahrte Fanni auf dem Fußboden eine Ansammlung hellfarbiger Hügel, die wie verfallene Iglus wirkten. Sie richtete den Lichtkegel auf einen davon und erkannte, dass es sich um einen Wäscheberg handelte.
    Klar, das ist die Sammelstelle! Wohin sollten die Schächte denn sonst führen?
    Wie offene Mäuler reihten sich die Ausgänge der Röhren auf halber Höhe an den Wänden des Wäschekellers entlang, und unter den meisten lag ein mehr oder weniger großer Hügel.
    Fanni schätzte die Entfernung von den Öffnungen zum Boden und kam auf gut einen Meter.
    Du wirst dir den Schädel einschlagen, wenn du es versuchst!
    Widerwillig musste Fanni der Gedankenstimme recht geben. Jeglichen Halt aufzugeben und komplett durch die Röhre zu rutschen war gefährlich. Wenn man dabei keine Gehirnerschütterung riskieren wollte, hätte man im Handstand auf dem Boden landen müssen, doch das traute sie sich nicht zu.
    Himmel, Arsch und Zwirn! Fanni Rot gelangt zu einer weisen Entscheidung!
    Fanni ächzte, weil ihre Füße inzwischen so verkrampft waren, dass sie zu schmerzen begannen.
    Und diese nervtötende Gedankenstimme, dachte sie ärgerlich, hat doch ständig was zu palavern. Sie ist aufdringlich, selbstherrlich, vorlaut, frech und bedient sich einer Ausdrucksweise, die aus dem Repertoire von Hans Rot und seinen Vereinsbrüdern zu stammen scheint.
    Das dir gut vertraut ist! Bist du nicht oft genug dabei gewesen, wenn einer der Kegelbrüder Geburtstag gefeiert hat; wenn der Schützenverein wieder einmal ein gemeinsames Abendessen wegen Gott weiß was veranstaltete; wenn in Birkdorf Kirchweih war?
    Inzwischen hatte Fanni noch einmal in die Runde geleuchtet, und erst jetzt fiel ihr auf, dass sich der Schacht, in dem sie steckte, etwas abseits von den anderen in einer kleinen Nische befand. Unter der Öffnung lag erwartungsgemäß keine Schmutzwäsche. Als sie den Lichtstrahl senkrecht richtete, erkannte sie einen Haufen Staubflusen und mittendarin ein kleines Knäuel. Fanni starrte es lange an.
    Die Tatwaffe?
    Darauf möchte ich wetten, dachte Fanni. Sie sah jedoch ein, dass es unmöglich war, an das Knäuel heranzukommen, ohne kopfüber auf den Betonboden zu stürzen. Sie würde sich vom Treppenhaus aus einen Weg durch den Keller des Gebäudes zu dieser Wäschesammelstelle suchen müssen.
    Dann wird es jetzt wohl Zeit, die enge Röhre zu verlassen!
    Plötzlich fühlte sie Panik in sich aufsteigen.
    Kein Wunder! Du hattest ja als Kind schon Klaustrophobie! In Aufzügen beispielsweise!
    Fanni krallte die Finger um den Rand der Öffnung und versuchte, sich rückwärtszuschieben. Sie stemmte und drückte, wand sich wie eine Schlange und strampelte mit den Beinen. Als sie sich bis zur Taille aus dem Schacht befreit hatte, musste sie ein paar Augenblicke lang keuchend liegen bleiben, bevor sie Oberkörper, Kopf und Arme nachschieben konnte. Letztlich ließ sie die Hände einen Moment zu lange am Schachtrand liegen, sodass sie von der Klappe, die sich mit einem dumpfen Knall schloss, eingeklemmt wurden. Fanni drückte mit der Stirn dagegen, damit sie sich noch mal einen Spalt öffnete und ihre Finger freigab.
    Dann kauerte sie auf dem Fußboden und wartete darauf, wieder zu

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