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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Weißbrot verlangte, würde das wenige, das Fanni als genießbar eingestuft hatte, leicht ausreichen, um sie satt zu machen.
    »Schmeckt es dir?«, fragte Hans sichtlich gespannt.
    »Sehr gut«, lobte Fanni. »Erstaunlich gut.«
    Ich glaube allerdings nicht, dass dieses Forellenfrikassee mit einem Stern im Guide Michelin ausgezeichnet werden würde!
    Fanni räumte gerade den Tisch ab, als es an der Haustür klingelte.
    Geschäftig eilte Hans hinaus und kam mit Frau Praml zurück, die ein Arrangement aus Tannenzweigen, Erikasträußchen, Zimtstangen und einer mit Nelken gespickten Orange hereintrug.
    »Endlich sind Sie zurück, liebe, liebe Frau Rot.«
    Fanni starrte die Nachbarin erschrocken an, weil Frau Praml, deren Stimme normalerweise wie Bauer Kleins Kreissäge klang, alles daransetzte, zu zwitschern wie ein junges Vögelchen.
    »Ich freue mich ja so sehr«, zirpte sie heiser. »Schauen Sie, ich habe Ihnen eines der Gestecke mitgebracht, die wir Mädels vom Frauenbund gestern gebastelt haben. Passt es nicht wunderbar auf Ihren Esstisch?« Sie stellte es auf den Korkuntersetzer, der noch da lag.
    »Reizend«, sagte Fanni. »Hans wird bestimmt viel Freude daran haben. Ich muss ja leider wieder zurück in die Klinik. Meine Behandlung ist längst noch nicht abgeschlossen.«
    Hast du Frau Praml je so enttäuscht dreinschauen sehen?
    »Aber Sie könnten ja trotzdem öfter herkommen«, insistierte sie. »Am besten wäre, Sie ließen sich in der Parkklinik ambulant behandeln. Das würde vieles einfacher machen.«
    Für Hans Rots Nachbarinnen allemal!
    Ein Fannis Ohren vertrautes Summen zeigte an, dass Hans Rot die Espressomaschine eingeschaltet hatte.
    Sogar das hat er inzwischen gelernt!
    Und anscheinend weiß er mittlerweile auch, dass Frau Praml auf Latte macchiato mit viel Milchschaum steht, dachte Fanni.
    Sie bot der Nachbarin einen Platz auf dem Sofa an und sagte liebenswürdig: »Sie bleiben doch auf ein Tässchen Kaffee?«
    »Leider«, erwiderte Frau Praml mit ihrer gewöhnlichen Kreissägenstimme, »leider bleibt keine Zeit dafür. Die Kinder müssen nach Deggendorf gefahren werden – der Bub zum Zahnarzt, das Mädel zum Chorkreis.« Sie zwinkerte Fanni verschwörerisch zu. »Aber jetzt, wo Sie wieder da sind, haben wir ja jeden Tag Gelegenheit, uns auf ein Tässchen zu treffen.« Damit eilte sie in Richtung Hausflur.
    »Die Praml hat recht«, sagte Hans Rot, als die Tür hinter der Nachbarin ins Schloss gefallen war. »Du solltest ab sofort wieder hier wohnen und die Therapie ambulant machen lassen, wenn sie denn unbedingt sein muss. Hier bist du wenigstens sicher.«
    »Sicher wovor?«, fragte Fanni. Murmelnd fügte sie hinzu: »Vor nachbarlichen Ratschlägen, die aus abscheulichen Gestecken sprießen, jedenfalls nicht.«
    Hans warf ihr einen fast mitleidigen Blick zu, bevor er erwiderte: »Einer der Kriminalbeamten hat mich aufgesucht.«
    Fanni wurde es flau im Magen. »Und was wollte er von dir?«
    Hans legte ihr den Arm um die Schultern, führte sie ins Wohnzimmer und zog sie neben sich aufs Sofa. »Er wollte wissen, inwieweit du dich seit dem …«, er stockte, um dann fortzufahren: »… Unfall verändert hast. Gab es Aktionen, die sie, kaum ausgeführt, sofort wieder vergessen hat?, hat er gefragt. Gab es eigenartige Verhaltensweisen? Und so weiter und so fort.« Hans drückte sie an sich. »Es wird eng, Fanni.«
    »Das weiß ich«, antwortete Fanni, so standhaft sie es vermochte, und machte sich los. »Gerade deshalb bin ich in der Klinik am sichersten. Solange ich dort in Behandlung bin, wird man mich mangels Fluchtgefahr nicht verhaften.«
    Erneut traf sie ein mitleidiger Blick. »Es könnte aber sein«, erwiderte ihr Mann, »dass man seitens der Klink keine Verantwortung mehr übernehmen will, denn die Indizien gegen dich verdichten sich drastisch. Wusstest du zum Beispiel, dass der Tatzeitpunkt ziemlich genau bei zehn Uhr liegt, obwohl man vorsichtshalber die Überprüfung der Alibis auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt hat? Der Kriminalbeamte hat es mir verraten.«
    Du hast die Wahl, Fanni, Erlenweiler oder Knast!
    »Hans«, sagte Fanni nach kurzem Schweigen, »ich werde in der Parkklinik bleiben, bis man mich offiziell entlässt.«
    Ihr Mann machte ein noch enttäuschteres Gesicht als zuvor Frau Praml.
    Fanni ging in die Küche zurück und bückte sich, um die benutzten Teller in die Spülmaschine zu stellen. Als sie sich wieder aufrichtete, fiel ihr Blick auf das blinkende Lämpchen der

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