Milchgeld: Kluftingers erster Fall
überlege er nicht, ob er den Namen kannte oder nicht, sondern lediglich, ob er es ihm sagen sollte. Schließlich schien er sich entschieden zu haben.
»Nein, auf Anhieb fällt mir da jetzt niemand ein …«, lautete Bartschs zögerliche Antwort.
»Na, das wundert mich aber. Sie haben doch so eng mit Herrn Wachter zusammengearbeitet. Da wird er doch bestimmt einmal seinen alten Studien- und Forscherkollegen Robert Lutzenberg erwähnt haben?«
Von Bartschs anfänglicher Selbstsicherheit war nun nichts mehr zu spüren. Er biss sich mit den Schneidezähnen auf die Unterlippe. »Ach so … Ja, jetzt wo Sie’s sagen. Genau, so hieß ja Philips Kollege.«
»So hieß er, genau. Und wissen Sie was? Vor drei Tagen wurde sein Sohn umgebracht. Stellen Sie sich das vor. Erschlagen. Vor einer kleinen Berghütte oberhalb von Weiler.«
Bartsch schien nun völlig aus dem Konzept gebracht. Er nickte nur und blickte Kluftinger fragend an. Er schien nicht zu verstehen, warum der Kommissar ihm das ausgerechnet jetzt erzählte. Er rückte sich umständlich die lilafarbene Krawatte zurecht. Gerade als er antworten wollte, machte Kluftinger seine Verwirrung komplett: »Aber das tut ja hier nichts zur Sache. So, dank’schön für die Führung, ich muss dann jetzt auch wieder los.« Er zog sich die Haube vom Kopf, drückte sie Bartsch in die Hand und verabschiedete sich mit den Worten »Ich find’ schon raus.«
Als er über den Hof ging und sich das Haar glatt strich, lächelte er. Kurz bevor er in den Wagen stieg, sah er, wie Bartsch aufgeregt die Treppe zum Büro der beiden Schönmangers hinaufstieg.
Vielleicht hatte er einen Stein ins Rollen gebracht. Er fand, dass sich sein Besuch gelohnt hatte.
***
An diesem Abend war Kluftinger wieder in Fronschwenden bei Wildpoldsried. Er war zwar noch müde von der letzten Nacht, doch diesmal war das kein Hinderungsgrund. Denn er war nicht allein gekommen: Drei Streifenwagen mit jeweils drei Beamten hatten sich ebenfalls postiert, außerdem waren Maier, Hefele und Strobl mit von der Partie. Heute wollte keiner fehlen. Denn heute würde ihnen ein Fisch ins Netz gehen, da waren sich alle sicher. Auch wenn es vielleicht nicht der Mörder war.
Kluftinger hatte sich eigentlich vorgenommen, etwas zu schlafen, bevor es losging, aber er war zu aufgeregt. Seinen Kollegen ging es nicht anders. Sie saßen alle in Strobls Wagen, denn der Transport in Kluftingers Passat war daran gescheitert, dass sie keine Variation in der Sitzordnung gefunden hatten, die allen vier Kollegen und der Trommel ausreichend Platz geboten hätten.
Sie mussten lange warten in dieser Nacht, aber sie warteten nicht umsonst. Etwa um 2 Uhr nachts hörten sie einen Lastwagen kommen, kurz darauf fuhr auch der Tankwagen in Richtung des Einödhofes.
»Ungefähr die gleiche Zeit wie gestern«, sagte Kluftinger ohne seine Kollegen dabei anzusehen. Hätten sie ihm in die Augen geblickt, sie hätten bestimmt herausgefunden, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wann die Autos gestern vorgefahren waren.
Er winkte alle anwesenden Beamten zu sich. »Wir machen alles wie besprochen«, flüsterte er, obwohl man ihn bis zum Bauernhaus unmöglich hätte hören können. Alle nickten. Dann gab Kluftinger Hefele, Strobl und Maier ein Zeichen und die vier setzten sich in Bewegung.
Als sie beim Hof angekommen waren, bezogen sie an verschiedenen Orten Stellung. Kluftinger verschwand diesmal gleich hinter der Scheune, Strobl und Hefele schlichen sich hinter das Wohnhaus und Maier duckte sich hinter dem Baum, der das Ende der Einfahrt markierte. Der Kommissar lugte ins Innere.
Die alten Bekannten von gestern Nacht waren alle versammelt. Auch der Hüne war da. Zusammen wuchteten sie gerade die Säcke mit der seltsamen Aufschrift, die Kluftinger gestern schon gesehen hatte, von der Ladefläche eines Lasters. Kluftinger nickte. Der Zeitpunkt war gekommen. Langsam zog er seine Pistole aus dem Holster, atmete noch einmal tief durch griff dann in die andere Tasche, zog ein Funkgerät hervor, führte es ganz nah an seinen Mund und sagte dann nur ein einziges Wort: »Zugriff!«
Eine Sekunde lang war kein Laut zu hören. Nichts, absolute Stille. Dann brach die Hölle los. Mit durchdrehenden Reifen bogen die Polizeiwagen auf den kleinen Weg zum Hof, ihr Blaulicht und die Scheinwerfer durchschnitten die Dunkelheit, die Sirenen zerrissen die Stille mit ohrenbetäubendem Lärm. Gleichzeitig sprangen Kluftinger und seine Kollegen aus ihren
Weitere Kostenlose Bücher