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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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wenn sie drohte, den Halt zu verlieren. Würde sie ihm überhaupt zuhören? Würde er sie auf der Insel finden? Verdammt, daran hatte er noch nicht gedacht. Wo sollte er suchen? Egal, er würde sie auf diesem kleinen Eiland finden. Das wäre ja gelacht.
   Er erreichte die Fähre tatsächlich rechtzeitig und löste am Check-In sein Ticket. Es war eine große Fähre mit Restauration an Bord. Tobias entschloss sich, die Zeit der Überfahrt für einen Snack zu nutzen. Er sah neugierig hinüber, zur am Horizont größer werdenden Insel Föhr.
   Sie mussten die halbe Strecke auf dem Wasser hinter sich gebracht haben, denn gerade begegneten sie der Gegenfähre aus Wyk. Majestätisch glitten die weißen Schiffe mit den bunten Seitenstreifen aneinander vorbei. Hätte Tobias in diesem Augenblick gewusst, dass seine Julia ihn gerade längsseits passierte, hätte er gewiss nicht in derselben Ruhe und mit demselben guten Appetit seine beiden belegten Brötchenhälften verzehrt. So aber ahnten die beiden nicht, welche Ironie des Schicksals an diesem Tage verhinderte, dass sie sich trafen.
Nach Verlassen der Fähre steuerte er den hundert Meter entfernt gelegenen Parkplatz vor dem Fährterminal an, wo er eine große Inselkarte erblickt hatte. Er nahm sich vor, sich erst einmal zu orientieren und dann sein weiteres Vorgehen zu überdenken. Beim Aussteigen wurde er auf ein Inseltaxi aufmerksam, das dort schon mit geöffneter Seitentür stand. Es handelte sich um einen VW-Bus, der Fahrer half seinem Fahrgast in einen Rolli, den er auf Anweisung des Gastes auseinanderklappte.
   »Nun beeilen Sie sich schon - ich muss dringend an den Kartenschalter. Bleiben Sie hier, und warten Sie auf mich!«
   »Geht klar, Herr Rosshaupt, wird gemacht!« Wie vom Donner gerührt, hielt Tobias in der Bewegung inne. Konnte es wahr sein? Dieser Name, der Rollstuhl, dieser Kerl, den er nun im Halbprofil sah, mit der dunklen Stoppelfrisur, den weichen Zügen und dem Bart - es konnte kein Zweifel bestehen: Er stand diesem Schweinehund, diesem elenden Heuchler, Julias Mann gegenüber! Aber wo war Julia? Wieso fuhr dieser Schurke Taxi? Tobias ließ sich in seinen Sitz zurück- gleiten und schloss die Tür wieder. Jörg hieb den Rolli mit energischen Armbewegungen die Rampe zum Eingang des Terminals empor. Jemand hielt ihm die Tür auf, dann verschwand er im Innern des Gebäudes.
   Einem plötzlichen Impuls folgend, setzte ihm Tobias nach. Er schob sich von hinten näher heran, um dem Gespräch zwischen Jörg und der Schaltermitarbeiterin folgen zu können.
   »Rosshaupt, mein Name. Können Sie bitte einmal überprüfen, ob meine Frau auf der letzten Fähre, die gerade abgelegt hat, drauf ist? Brauchen Sie die Autonummer?« Die Angestellte setzte einen fragenden Blick auf. Unwirsch schob ihr Jörg seinen Personalausweis zu. »Nun machen Sie schon, ich bin ihr Mann!« Die Mitarbeiterin warf einen Blick auf den Ausweis, dann auf den Computermonitor. »Nein, tut mir Leid!« 
   »Auch keine Anmeldung für die nächste Fähre?« Wieder ein unwilliger Blick auf den Bildschirm.
   »Nein, auch nicht!«
   »Mist, das kann doch nicht wahr sein! Wo ist sie denn?« Er erwartete keine Antwort, sondern drehte den Rolli abrupt und fuhr zurück. Diesmal half ihm niemand an der Ausgangstür, und er mühte sich verzweifelt ab, die Tür aufzubekommen. Tobias stieß sie ihm auf. Ohne einen Blick oder Kommentar, rollte Jörg zurück zum Taxi. Tobias sah, wie er den Fahrer bezahlte.
   Anscheinend hatte er vor, Julia abzupassen. Es musste also Streit gegeben haben. Augenscheinlich war Julia Hals über Kopf abgerauscht, hatte ihren Göttergatten sitzen lassen. In Tobias Hirn überschlugen sich die Gedanken: Also war sie noch auf der Insel. Also musste er diesen Jörg nur im Auge behalten, um ihren Wohnort aufzuspüren, und er musste Julia abfangen, bevor sie auf Jörg stieß. Kein leichtes Unterfangen.
   Er sondierte die Lage. Die Straße hierher war der einzige Weg, den sie nehmen konnte. Jörg hatte sich Richtung Strandmauer begeben, um sich auf die Lauer zu legen. Also musste er, Tobias, weiter nach vorne mit dem Auto, an die Hafenzufahrt, um sie abzufangen. Er rief sich ihr Automodell ins Gedächtnis. An das Kennzeichen erinnerte er sich nicht, sah aber ihren schwarzen Golf vor seinem geistigen Auge.
   Er stieg ein, rollte langsam vom Parkplatz auf die Straße und glitt Richtung Hafenzufahrt. Das Stadttor ließ er linkerhand

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