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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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später war sie dort.
  
Neugierig las sie zuerst die SMS:

Mittagessen abgesagt!
Ich bin um 18 Uhr bei dir.
Wir müssen reden! Tobias

Bestürzung zeichnete sich augenblicklich in Sylvias Gesicht, ihre gute Laune brach jäh in sich zusammen. Was war los? Wieso rief er sie nicht an, sondern simste ihr? Etwas war oberfaul! Blitzschnell fing sie an, die Lage zu analysieren. Etwas musste schief gegangen sein! Mit zitternden Händen wählte sie die Nummer von Jörg. Waren die beiden schon wieder aus dem Urlaub zurück?
   Er meldete sich und in zuckersüßem Ton fragte sie ihn, wie es um seine Sache stünde. »Alles Scheiße!«, kam es vulgär zurück. »Julia wird mich verlassen. Ich weiß nicht, was ich noch machen soll!«. Hörte sie richtig, war das etwa gerade ein Schluchzer? »Es ist alles so sinnlos, ich habe mich in eine verzweifelte Situation hinein manövriert. Hätte ich nur nicht auf dich gehört! Das war ein Scheißplan, konnte ja nicht gut gehen!«
   »Halt, halt! Den Plan haben wir gemeinsam entwickelt, nicht ich, um das ein für alle Mal klarzustellen!«
   »Trotzdem! Ich hätte nicht auf dich hören sollen. Es geht alles den Bach runter. Du hast es gut! Du weißt ja gar nicht, wie so etwas ist, jemanden zu verlieren, den man liebt!« Sylvia hatte genug gehört und keine Lust sich auf seinen Selbstmitleidtrip einzulassen. »Na gut, wollte nur mal neugierig sein, hab aber wohl den falschen Zeitpunkt erwischt! Wie lange bleibt ihr noch auf Föhr?« 
   »Wir kommen übermorgen zurück – spätestens!«
   »Na schön, dann macht es gut!« Kalt und schnippisch schickte sie die letzten Worte durch den Äther, dann kappte sie die Verbindung. Trottel, dieser Jörg, was wusste der schon? Im Stillen beglückwünschte sie sich, dass sie ihm nichts davon erzählt hatte, dass sein Rivale ihr Ex- und Neuliebhaber und neuerdings auch ihr Bräutigam war. Männer brauchten nicht alles zu wissen!
   Sein Flittchen musste wieder Kontakt zu Tobias aufgenommen und ihre alte Wirkung auf ihn entfaltet haben. War es das? Ihre Verzweiflung nahm zu. Wie konnte sie sich diese vermaledeite Nebenbuhlerin nur vom Hals halten? Hatte sie doch gehofft, Jörg würde seine Frau lange genug aus der Schussbahn raushalten, bis sie ihre eigenen Pläne verwirklicht hatte. Wenn man nicht alles selbst macht, sondern sich auf andere verlässt!, schalt sie sich selbst. Dann dachte sie gründlich nach und kam zu dem Schluss, jetzt alles auf eine Karte zu setzen. Sie musste nachlegen - das letzte As aus ihrem Ärmel ziehen! Ihr Mund verzog sich zu einem diabolischen Grinsen, als sie ihr Handy erneut zur Hand nahm und den Fotoordner durchsuchte. Nachdem sie fand wonach sie suchte, drückte sie auf MMS senden und ergänzte aus dem Adressbuch die Nummer von Julia Rosshaupt, nicht ohne noch einen kurzen Text als Kommentar zu verfassen...
   Den Termin auf der Rennbahn brachte sie mit Mühe hinter sich. Sie ließ sich die aktualisierten Listen der Derby-Teilnehmer geben und sprach mit einigen wichtigen Leuten. Mit ihrem digitalen Aufnahmegerät schnitt sie die Gespräche und Statements mit. Chris würde wohl soweit zufrieden sein. Als sie am frühen Nachmittag in die Redaktion zurückkehrte, wurde ihre neue Frisur von Rita und von Veronika mit großem Hallo bedacht. Sie war aber klug genug, nichts über die Hintergründe verlauten zu lassen und tat die Bemerkungen flapsig ab. Auf ihre Bitte hin, gab ihr Chris für den Rest des Tages frei. Sie musste ihre aufwallenden Gefühle unter Kontrolle bringen, sich auf das Gespräch mit Tobias heute Abend vorbereiten und sehen, ob ihre gesäte Saat bereits aufging.

Achtzehn Uhr war längst vorbei. Sylvia wartete, immer nervöser werdend. Als der Zeiger der Uhr auf neunzehn Uhr zeigte, wurde ihr klar, dass Tobias heute nicht mehr kommen würde. Sie konnte nicht verhindern, dass sie das heulende Elend überkam. Ihr war schlecht, sie brauchte Trost. Ihr Blick fiel auf das Highboard mit der Gin-Karaffe und den teuren, ziselierten Gläsern. Einer konnte nicht schaden!, mit geschlossenen Augen spürte sie der Wärme des Alkohols nach, nachdem sie die ersten Schlucke genommen hatte. Warum war bloß immer alles so kompliziert in ihrem Leben? Ein lauter Schluchzer entrang sich ihrer Brust, und sie krümmte sich weinend auf der Couch zusammen.
   An ihrem inneren Auge zogen Bilder aus glücklichen Tagen vorbei. Sie, mit Tobias bei Freunden, im Casino, im Urlaub. Seefeld kam ihr in den

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