Milchmond (German Edition)
wieder bergauf?«
»Darüber hatten wir uns zunächst noch keine Gedanken gemacht. Dann aber, sah Julia die Nummer von Sylvia auf meinem Handy. Ich machte ihr vor, dass ich mit meiner Ärztin telefoniert habe. Daraufhin rief Julia bei ihr an, in dem Glauben, es mit meiner Ärztin zu tun zu haben. Sie wollte sich unbedingt mit ihr persönlich treffen. Sylvia berichtete mir, dass sie eine Ausrede benutzte, um ein Treffen zu umgehen. Sie erklärte ihr, dass sie gerade drei Wochen Urlaub genommen hätte und zwei Tage später eine Karibikreise antreten wolle. Als Julia dann fragte, welcher Kollege sie im Krankenhaus vertritt, bekam Sylvia Panik, dass der Schwindel auffliegen könnte und so willigte sie in ein kurzes Treffen mit ihr in einem Restaurant ein. Sie verkleidete sich mit Perücke und Brille und erklärte Julia dort, dass es gut wäre, wenn wir viel verreisen würden, damit ich von der Krankheit abgelenkt werde, da sie mich für suizidgefährdet halte. Dadurch verschaffte sie sich freie Bahn, um sich wieder an Sie heranzumachen. Scheint ihr ja wohl auch gelungen zu sein. Ich wusste nur nicht, dass Sie der glückliche Bräutigam sind. Ich dachte, Sie meinen es ernst mit meiner Frau?«
Es juckte Tobias plötzlich in den Fingern, in diese nun schief grinsende Visage seines Gegenübers zu schlagen. Er kam sich vorgeführt vor - wie ein Trottel. Der er wohl auch war. »Halten Sie die Schnauze, Mann! Noch ein Wort, und ich vergesse mich!«
»Aber, aber, Herr Anwalt, Sie werden doch nicht…?« Tobias schloss die Augen, um sich zu beherrschen. Er spürte, dass es gleich ein Unglück geben würde, wenn er nicht sofort aus dieser Wohnung raus kam. Den Weg zurück, den er gekommen war, konnte er nicht nehmen, weil Jörg hinter ihm abgeschlossen hatte. Die Zeit, die es bräuchte, einen geordneten Rückzug anzutreten, hatte er bei seiner explosiven Gefühlslage nicht mehr.
Er sah durch die Terrassentür in den beleuchteten Garten und sprang auf. »Ich muss hier raus, bevor ich mich vergesse! Ich gehe durch den Garten, bleiben Sie sitzen, Mann, bevor ich die Beherrschung endgültig verliere!« Er sprang auf und entriegelte die Tür zur Terrasse. Bevor er hinaus in die frische Luft trat, drehte er sich auf der Schwelle noch einmal um. »Sie hören von mir, Herr Rosshaupt, darauf können Sie sich verlassen! Ich bringe Sie vor Gericht, dann sind Sie fertig, Ihre Reputation als musikalischer Überflieger und Musik-Pädagoge dahin! Es gibt für Sie nur eine Möglichkeit, das zu verhindern: Indem Sie Hamburg verlassen und aus der Gegend verschwinden! Dann lasse ich Sie gegen meine Überzeugung ungeschoren davonkommen. Überlegen Sie sich das sehr genau!« Ihre Blicke verschränkten sich während dieser Worte ineinander und untermauerten unmissverständlich den Ernst des Gesagten.
Dann wandte sich Tobias um, war draußen im Garten, umrundete das Haus und eilte zum Gartenausgang. Durch die Fenster sah er einen benommenen Jörg Rosshaupt geschlagen in seinem Sessel sitzen. Dann erreichte er die schwere Gartenpforte und betätigte die Fernbedienung seines Wagenschlüssels. Bevor er einstieg, stützte er sich am Türrahmen ab und versuchte, seinen keuchenden Atem unter Kontrolle zu bringen.
Unfroh fuhr er zurück nach Wyk. Die letzte Fähre war weg, er würde sich für die Nacht ein Hotelzimmer nehmen müssen. So geschlagen und gedemütigt hatte er sich lange nicht mehr gefühlt. Er war völlig aus der Fassung geraten und schämte sich wegen seines Ausrasters. Fast wäre ihm die Situation aus der Kontrolle geraten und eskaliert. Diese unvorbereitete, verbale Attacke bezüglich seiner Verlobung, hatte ihm buchstäblich die Füße weggerissen, und er hatte seine gewohnte Selbstsicherheit und Contenance verloren. Das durfte ihm als Anwalt einfach nicht passieren, sich so vorführen zu lassen.
Kapitel 28
Als Verlobte grüßen:
Sylvia Sommer und Tobias Steinhöfel
Die drei angehängten Bilder waren eindeutig! Mit Datum und Uhrzeit versehen, zeigte das erste die beiden Ringe in der schiefergrauen Austernschale mit dem großen JA! darunter. Das zweite, eine feingliedrige, beringte Frauenhand, die Tobias eine Erdbeere in den gespitzten Mund schiebt und zu guter Letzt, das dritte, ein glückliches Verlobungspaar, das lächelnd, Wange an Wange, seine beringten Hände in die Kamera hält.
Es war eindeutig zuviel für Julia. Das konnte doch nicht wahr sein! Wer war diese Frau? Hatte sie, Julia,
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