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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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vorbei an Kolonien von Wild-Enten, die sich auf den feuchten Wiesen tummelten. Es mussten Hunderte sein.
   Sie fuhr nicht übermäßig schnell, denn der Beinaheunfall mit der Fahrradfahrerin vor einigen Stunden, saß ihr noch in den Knochen. Die folgenden zwei Stunden verliefen reibungslos und sie versuchte, möglichst nicht ins Grübeln zu verfallen. Mechanisch, fast roboterhaft, tat sie alles, was die Straßenverkehrs-Ordnung von einem ordentlichen Autofahrer verlangt.
Hinterher konnte sie sich an keine einzige Begebenheit während der Fahrt erinnern. Ihr Bewusstsein blendete die Zeitspanne der Fahrt von Dagebüll über Husum, Heide und Brunsbüttel nach Blankenese einfach aus - gespenstisch - fast wie eine partielle Amnesie.
   Kurz vor Erreichen ihres Elternhauses, vor einer roten Ampel am Blankeneser Markt, meldete sich ihr Handy. Sie hatte nicht die geringste Lust auf ein Gespräch mit Jörg oder Tobias. Die Dämmerung war bereits weit fortgeschritten, die erleuchteten Auslagen der Geschäfte schufen eine schöne Kulisse. Auf dem leuchtenden Handydisplay blinkte eine ihr unbekannte Nummer, was bedeutete, dass es weder Jörg noch Tobias sein konnten. Na schön, seufzte sie unwillig und nahm das Gespräch an...

Etwas piekste sie. Unwillkürlich wischte sie über die Stelle am Arm und vernahm undeutliches Stimmen-Gemurmel. Dann versank sie wieder in der unbestimmbaren Schwärze, die so wohl tat. Sie wollte dieser schützenden Geborgenheit nicht entrissen werden, sondern nur, dass man sie in Ruhe ließ. Jemand rieb ihre Hand und nuschelte undeutlich etwas, das sie nicht verstand. Sie wollte sich nicht stören lassen und versuchte, ihre Hand wegzuziehen.
    »Julia?« Was wollte die Stimme von dieser Julia? Konnten die nicht woanders hingehen? »Julia, mein Liebes, bist du wach?« Lächerliches Theater hier, sieht man doch, ob jemand wach ist. »Julia, ich bin's, Johannes. Kannst Du mich hören?« Johannes? Der Name kam ihr bekannt vor... Johannes?
   »Sie hört dich nicht, lass sie schlafen! Komm, mein Junge, gehen wir ins Wohnzimmer und lassen die Tür offen.«
   »Nein, Mutter, geh nur, ich bleibe noch ein wenig bei ihr. Sie braucht meine Nähe, ich spüre das. Ich sage Bescheid, wenn sie wach wird.«
   Mit wem redeten die nur? Sie sollten woanders hingehen, sie wollte weiter schlafen, nur schlafen...
Irgendwann half es nicht mehr, in der Schwärze verbleiben zu wollen. Es war unangenehm hell um sie herum, jemand tätschelte ihre Wange. Sie schlug die Augen auf und sah verschwommene Gesichtsscheiben über sich gebeugt. Sie kniff die Augen zusammen, versuchte sie zu fokussieren; daraufhin wurden die Konturen schärfer, der Schleier transparenter und sie erkannte die schönen Gesichtszüge ihrer Mutter. »Mama? Was machst du hier?«
   »Beruhige dich, Kind! Es ist alles in Ordnung. Du bist bei uns in Blankenese. Papa und Johannes sind auch da. Alles wird gut. Tschhhhh...« Julia versuchte, sich aufzurichten und erkannte ihr Mädchenzimmer. Ja, sie war zuhause, tatsächlich! Wie schön, wie geborgen fühlte sie sich hier. Jetzt sah sie Papa mit Johannes in das Zimmer kommen. Papa sah beunruhigt aus und Johannes Blick verriet ebenfalls Bestürzung. Als sich ihre Blicke trafen, schüttelte ihr Bruder unmerklich und geheimnis-schwanger den Kopf. Was meinte er nur mit dieser Geste? Julia war verwirrt. Etwas an dieser Situation passte nicht, war zu unwirklich.
Träumte sie das alles etwa nur?
   »Was mache ich hier...? Mama?« 
   »Du wurdest gestern von der Polizei hierher gebracht und warst völlig mit den Nerven herunter, Schatz. Du hast mit laufendem Motor vor einer roten Ampel gestanden, hattest offensichtlich einen Nervenzusammenbruch und warst nicht zu bewegen, bei Grün weiter zu fahren. Du hattest Weinkrämpfe und reagiertest auf keine Ansprache. Jemand alarmierte die Polizei. Zum Glück war Günter Jolitsch im Streifenwagen, der dich erkannte und hierher brachte. Doktor Prenzler hat dich dann hier untersucht und etwas zur Beruhigung verabreicht. Er versprach, heute noch einmal nach dir zu schauen. Alles ist jetzt gut, Schatz, ruhe dich aus. Hier bist du sicher und geborgen.«
  
Ihre Mutter strich ihr mit begütigender Geste und liebevollem Blick über die Stirn. Julia seufzte. »Ich glaube, ich habe Hunger!« Papa, Johannes und ihre Mutter sahen sich an und wechselten erleichterte Blicke. Sie schienen sich über diese Neuigkeit wahnsinnig zu freuen.
   »Sofort,

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