Milchmond (German Edition)
natürlich auch sehr an der Ortsverbundenheit seiner Karen lag. Die Hochzeitsfeier fand im letzten Jahr in der Scheune des Bauernhofes statt, fast das ganze Dorf nahm Anteil und ließ es sich nicht nehmen, dem neuen Pastor persönlich seine Aufwartung zu machen.
Bei Johannes und Karen konnte man jederzeit unangemeldet auftauchen. Die beiden strahlten so viel Wärme, Herzlichkeit und Ruhe aus, dass man sich immer schwer tat, dieses gastliche Haus irgendwann in zumeist später Nacht wieder zu verlassen.
Als Julia ihnen Jörg vorstellte, klopfte Johannes ihm herzlich auf die Schulter und sagte, dass er schon alles über ihn wüsste. Er hatte gerade mit Mutter telefoniert und die hatte ihm in den höchsten Tönen von ihrem gemeinsamen Musikabend auf der Grillfeier der vergangenen Woche vorgeschwärmt.
Es wurde ein gemütlicher Nachmittag und als später sogar die Sonne wieder hervorkam, konnten sie noch ein wenig draußen im Pastoratsgarten die Natur genießen.
Anna-Lena spielte mit der gutmütigen Golden Retriever Hündin Dunja. Die ließ sich aber auch wirklich alles von ihr gefallen, sah dabei aber keineswegs unglücklich aus. Julia hatte es kommen sehen; der Abend endete feucht fröhlich und so nahmen sie die mehrfach ausgesprochene Einladung schließlich an, bei ihnen im Gästezimmer zu übernachten.
Dabei gingen ihr Bruder und ihre Schwägerin wie selbstverständlich davon aus, dass sie bereits ein Liebes-Paar waren. Julia war aufgeregt wie ein Teenager, als der Moment kam und Karen ihnen das Zimmer unter dem Dach zeigte, wo das Französische Bett bereits frisch bezogen war. Karen wünschte ihnen eine gute Nacht.
Julias erste Befangenheit fiel aber rasch von ihr ab. Als Jörg sich erbot, auf der Couch zu schlafen, mussten sie plötzlich beide lachen und fielen sich in die Arme. Der Ort für ihre erste Liebesnacht war gut gewählt. Die ruhige Freundlichkeit des Hauses färbte auf alle Bewohner ab, die sich unter seinem Dach befanden. Sie war deshalb auch weniger von glutvoller Leidenschaft geprägt als vielmehr von sanfter, romantischer Zärtlichkeit.
Es hatte sich gut angefühlt, schließlich in seinen Armen einzuschlafen. Sehr gut sogar!
Kapitel 8
Tobias hatte über Profs Worte schon des Öfteren nachdenken müssen. Vielleicht solltest du dich mit Sylvia wieder versöhnen. Man kann nicht alles haben. Ehe man sich's versieht, hat man gar nichts!, so, oder ähnlich, hatte er es formuliert.
Nachdenklich starrte er Sylvias Bild auf seinem Schreibtisch an. Er hatte es noch nicht weggelegt, weil er diesbezügliche Nachfragen von Nob oder Ella vermeiden wollte. Sie wussten noch nichts davon. Richtig Schluss gemacht hatten sie ja im eigentlichen Sinne des Wortes auch nicht - eher eine Selbstfindungspause eingelegt, das klang besser.
Seit jenem Essen in seinem Loft und dem anschließenden Gespräch über ihre Zukunft, hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Eine Woche nach diesem Abend war ihm Sylvia den Wohnungsschlüssel mit ihrer Karte in den Briefkasten. Auf der Karte stand nur: Ich bin traurig! Es schnitt ihm ins Herz, aber er untersagte es sich, darauf zu antworten.
Seufzend machte er sich daran, seine Sachen zusammenzupacken. Es war Zeit, Feierabend zu machen. Die anderen waren schon ins Wochenende gegangen, so war er der Letzte, der die Kanzlei verließ.
Auf dem Weg in die Tiefgarage traf er im Lift die kleine Brünette aus der Wohnungsvermittlung im vierten Stock. Sie kannten sich vom Sehen und so nickte er ihr grüßend zu. Die Lifttür glitt geräuschlos hinter ihm zu. Während er neben ihr stand, konnte er ihr Parfüm riechen. Es duftete wie Sensation von Jil Sander, wie er sich zu erinnern glaubte. Es war der Duft, den Sylvia auch oft benutzte.
Wieder kehrten seine Gedanken zu ihr zurück. Auf dem Weg nach Hause nahm er sich vor, dieses Wochenende etwas zu unternehmen. Er musste dringend auf andere Gedanken kommen, sonst würde er noch rückfällig werden.
In den letzten Monaten hatte er sich zurückgezogen, viel gelesen, seine Wohnung genossen und war regelmäßig in seine Stammsauna gegangen. Er hatte es vermieden, sich in den vertrauten Szene-Treffs zu zeigen, wo die Gefahr bestand, Sylvia zu begegnen.
Erst seitdem sie das Boot wieder zu Wasser gelassen hatten, war Tobias ein wenig aus seinem Mauseloch hervorgekommen. Sie hatten bereits einige Törns mit der Tobendra gemacht. Der Wetterbericht im Radio sagte gutes,
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