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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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kam, wuchs ihr Gesprächsstoff schier ins Unendliche. Es stellte sich nämlich heraus, dass er Musiklehrer war. Er hatte Klavier studiert und spielte nebenher auch noch Saxophon und Gitarre.
   An seiner Schule hatte er eine Schüler-Bigband gegründet. Das Thema Musik brachte ihn zum Leuchten. Anfangs versuchte sie noch, möglichst wenig von sich preiszugeben, gab ihre Zurückhaltung aber nach und nach auf. Er machte große Augen, als er von ihrer Mutter erfuhr. Mit dem Namen der großen Pianistin wusste er sofort etwas anzufangen.
   Sie bemerkten gar nicht, wie rasch die Zeit verging. Schließlich meldete sich bei ihnen der Hunger und sie packten ihre Strandsachen zusammen. Es kam ihnen vor, als würden sie sich schon ewig kennen, deshalb nahm sie seine Einladung zu einem kleinen Imbiss auf der gemütlichen Terrasse eines am Wasser liegenden Restaurants freudig an.
   Zum Abschied gab er ihr einen schüchternen Kuss auf die Wange, und sie tauschten ihre Telefonnummern aus. Als sie schließlich gegen Mitternacht zu Hause in ihrem Bett lag, wusste sie, dass sie erneut verliebt war. Schon am nächsten Tag rief er an, um mit ihr erneut zum Baden an die Ostsee zu fahren. Er holte sie mit seinem Volvo-Kombi ab und lernte dabei ihre Mutter kurz kennen.
   Es folgten freudvolle Wochen. Jörg hatte noch bis Ende August Sommerferien, und so sahen sie sich fast täglich. Das Herz ihrer Mutter hatte er auf Anhieb schon beim ersten Guten-Tag-Sagen gewonnen und Julia musste sie energisch in die Schranken weisen, wollte ihre Mutter ihn doch bereits am zweiten Wochenende zum Grillen einladen.
   Das war Julia nicht recht. Sie kannte ihn doch erst so kurz. Aber ihre Mutter ließ nicht locker und so kam es, dass Julia ihren neuen Freund bereits nach kurzer Zeit ihren Eltern quasi offiziell vorstellte. Ihre Mutter war von ihm begeistert, ihr Vater fand ihn akzeptabel. Im Allgemeinen hatte er eher weniger für Pädagogen übrig, aber das Engagement, das Jörg für seine Schüler in Sachen Musikerziehung an den Tag legte, sowie die Geschichten von der Schüler-Bigband überzeugten auch ihn.
   Nachdem Jörg an diesem ersten Grillabend zu fortgeschrittener Stunde auch noch sein Saxophon auspackte und gemeinsam mit ihrer Mutter am Flügel einige Stücke  aus der Swing-Ära intonierte, schien es für ihre Eltern keine Frage mehr zu sein, dass er der künftige Schwiegersohn werden würde. Ihr Vater war sehr stolz auf den Prüfungs-Erfolg seiner Tochter in Freiburg und vergaß selbstverständlich nicht, diese Details auch Jörg zu präsentieren.
   Als sie Mitte August den Strandbesuch wegen aufkommenden Regens vorzeitig beenden mussten, beschlossen sie, eine Stippvisite bei ihrem Bruder auf dem Land zu machen. Johannes, der sein Theologiestudium mit dem zweiten Examen vor drei Jahren beendete, lebte mit Karen und ihrer Tochter Anna-Lena in einer kleinen dörflichen Gemeinde mit einer alten Feldsteinkirche unweit von Lübeck.
   Er hatte sich damals auf die ländliche Pastorenstelle beworben, weil Karen dort mit ihrer fünfjährigen Tochter wohnte. Das alte Pastoratshaus wurde saniert und so heiratete Johannes, noch vor dem Bezug des Hauses seine Karen und adoptierte die kleine Anna-Lena. Karen hatte ihren ersten Mann durch einen tragischen Autounfall verloren, als die Kleine gerade mal ein Jahr alt war.
   Johannes war, seitdem er mit Karen zusammenlebte, wie verwandelt. War er vorher eher unauffällig, still und zurückhaltend, so schien es, als ob Karen und die kleine Anna-Lena einen anderen Menschen aus ihm gemacht hätten.
   Plötzlich konnte er lächeln, was vorher kaum vorkam, und es war rührend mit anzusehen, wie er mit der Kleinen umging. Anna-Lena sollte noch ein Geschwisterchen bekommen, das hatte aber bisher noch nicht geklappt. Julia kam mit ihrer Schwägerin gut zurecht. Karen war auf einem Bauernhof in der Umgebung groß geworden. Ihre Eltern waren jetzt auf dem Altenteil und ihr Bruder hatte den Hof übernommen. Anna-Lena war oft bei ihren Großeltern und spielte auf dem Bauernhof mit den Kindern ihres Onkels.
   Johannes wuchs schnell in die neue Gemeinde hinein und wurde wohlwollend aufgenommen. Als Seelsorger des Ortes war er sehr beliebt und angesehen. Die Gemeinde war froh, einen neuen Pastor zu bekommen, da die Pfarrstelle schon seit fast einem Jahr unbesetzt war. Es war offensichtlich schwer, Pastoren auf das Land zu locken. Johannes fühlte sich dort auf Anhieb wohl, was

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