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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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brachten die Polster in das Cockpit und Tobias kontrollierte den Kraftstoffvorrat. Dann verließ er mit dem Wasserkanister das Boot, um Frischwasser zu holen. Man konnte schließlich nie wissen. Als er zurückkam, war Katie schon dabei, geschickt die Stagreiter der Fock am Vorstag anzuschlagen. Sie ging dabei routiniert zu Werke.
   Tobias löste die Bändsel und entfernte die Persenning vom Großsegel. Dann fiel ihm ein, dass sie die Schwimmwesten noch nicht angelegt hatten. Er holte sie aus der Kajüte und reichte eine an Katie weiter. »Alles klar, Katie?« Sie nickte. »Ich lasse jetzt den Motor an. Wenn ich dir das Zeichen gebe, löst du die Bugleine und hängst sie über den Poller, okay?«
   »Aye, Aye, Käpt'n!« Der Motor sprang auf Anhieb an und eine Qualmwolke löste sich vom Auspuff, die sich in der klaren Luft rasch verflüchtigte. Nachdem das zunächst unregelmäßige Geräusch des Motors in ein gleichmäßiges Brummen überging, löste Tobias die Heckleine und gab Katie das verabredete Zeichen.
   Dann ließ er den Motor einkuppeln und das kleine Boot nahm langsam Fahrt auf. Sie motorten entlang der Vorderreihe, wo die weißen und roten Häuser Travemündes, wie an einer Perlenkette aufgereiht standen. Das Wasser war tiefblau und kleine Wolkenfetzen wurden von der Brise den Himmel entlang getrieben. Der Wind wehte mit Stärke drei bis vier gleichmäßig aus Osten. Vereinzelt sah man weiße Schaumkronen auf den kurzen Wellen. Besser hätte das Wetter zum Segeln nicht sein können.
   Als sie das Leuchtfeuer an der Hafeneinfahrt passierten, ging Tobias in den Wind und sie setzten Fock und Großsegel. Die Segel blähten sich, als er den Bug aus dem Wind drehte. Nachdem auch die Schoten belegt waren, nahmen sie Kurs Richtung Neustadt. »Ich denke, wir fahren einmal rüber über die Bucht und dann an Neustadt unter Land vorbei in Richtung Ostseebad Dahme. Das sollten wir schaffen. Es sind zirka drei bis vier Stunden Fahrtzeit. Ist das okay?«
   »Ja, klar, du machst das schon richtig. Darf ich nachher auch mal an die Pinne?«
   »Das könntest du jetzt schon gleich. Setz dich her!«
   Sie übernahm die Pinne, und Tobias wies ihr eine Landmarke zu, die sie im Auge behalten und ansteuern sollte. Dann übergab er ihr auch die Großschot, um bei plötzlich einfallenden Böen das Hauptsegel auffieren zu können, damit das Boot nicht zu sehr krängte.
   Sie kannte das schon, Tobias musste ihr das nicht mehr erklären. Er selbst machte es sich Katie gegenüber bequem, lümmelte sich ins Eck an die Kajütwand und schloss die Augen. Zu hören waren jetzt nur noch der Wind und das Plätschern des Wassers. Vereinzeltes Möwengeschrei durchbrach die monotone Geräuschkulisse. Die Ostseeluft roch herrlich würzig.
   Segeln auf der Ostsee, raus aus der Enge der Stadt, das erfüllte Tobias Herz  mit einem Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Schon als Junge hatte er gerne Piratengeschichten geschmökert. Immer wenn er mit der Tobendra ablegte, stellte er sich insgeheim vor, wie es sich anfühlen musste, damit auf große Tour zu gehen, einmal wochenlang den Alltag hinter sich zu lassen, die Freiheit richtig zu genießen. Während er so da saß, die warmen Sonnenstrahlen auf seiner Haut und seinen Gedanken nachhing, bemerkte er, dass sein Fuß den von Katie berührte.
   Er blinzelte unter dem Schirm seines Seglercaps hervor und sah ihr Gesicht leuchten. Vor dem blauen Himmel als Hintergrund, wirkte das Bild, das sich ihm bot, wie eine Werbeaufnahme für Zahnpasta oder Sonnencreme. Sie sah glücklich aus.
   Mit der einen Hand die Pinne, mit der anderen die Großschot haltend, fixierte sie konzentriert die Landmarke, die ihr Tobias zugewiesen hatte. Sie nahm das Steuern sehr ernst und war voller Konzentration bei der Sache. Seitdem sie auf einer ihrer früheren Törns einmal von einer Bö überrascht worden war und vergessen hatte, das Segel rasch genug zu fieren, passte sie sehr auf, denn das sollte ihr nicht noch einmal passieren.
Sie trug ihre langen, blonden Haare unter ihrer Kappe zum Pferdeschwanz zusammengebunden. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er zum ersten Mal, seitdem er von Sylvia getrennt war, mit einer anderen Frau seine Freizeit verbrachte. Er war mit ihr noch nie allein gesegelt und die Begrenztheit des Bootes schuf automatisch eine vertraute, fast intime Situation.
   Daher kam es wohl auch, dass sich die meisten Leute, wenn sie einmal miteinander segelten, sich

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