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Milchrahmstrudel

Milchrahmstrudel

Titel: Milchrahmstrudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler Jutta
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zu halten!
    »Wo war Rolands Karte denn abgestempelt?«, fragte Fanni.
    Tante Luise sah sie verständnislos an.
    Erklär es ihr! Lass sie mitmachen! Luise ist nicht auf den Kopf gefallen! Und sie kann dir vielleicht noch sehr nützlich sein!
    »Ich kenne die Zellerhütte«, begann Fanni bedächtig. »Sie ist ein Stützpunkt im Toten Gebirge – liegt am Aufstiegweg zum Warscheneckgipfel. Der nächstgelegene Ort im Tal heißt Windischgarsten. Müsste die Karte nicht dort abgestempelt sein, wenn sich Roland auf der Zellerhütte befindet?«
    Tante Luise wirkte beeindruckt. Sie schaute eine Weile aus dem Fenster, dann bat sie Fanni, den Rollstuhl zum Bett zu schieben. Dort drückte sie auf eine Klingel.
    Zwei Minuten später trat Schwester Monika ins Zimmer.
    Tante Luise setzte eine bekümmerte Miene auf. »Meine liebe Schwester Monika, mit dem neuen Zivi hat die Heimleitung aber wirklich keinen guten Griff getan. Heute Mittag hat er schon wieder das Blutdruckmessen vergessen, und ich weiß doch, wie Sie es hassen, wenn in Ihrer Tabelle eine Lücke klafft.«
    »Fein, dass Sie so mitdenken, Frau Rot«, lobte Schwester Monika. »Wir holen das Blutdruckmessen in einer Minute nach.« Sie wandte sich zum Gehen.
    »Macht Frau Nagel wieder Stress?«, rief ihr Tante Luise nach. Schwester Monika nickte kurz.
    Es dauerte tatsächlich nur eine Minute, bis sie mit einem Blutdruckmessgerät zurückkehrte.
    Luise krempelte den rosa Ärmel auf. Sie trug an diesem Nachmittag ein rosa Blüschen, ganz ohne Glitzerapplikation, hatte aber zum Ausgleich ihre weißen Locken mit zwei perlenbesetzten Spangen hinter die Ohren gesteckt. In den Ohrläppchen baumelten Perlenohrringe.
    So müsste Barbies Großmutter aussehen, dachte Fanni, käme sie je auf den Spielwarenmarkt.
    »Gerade habe ich Frau Rot von der lustigen Karte erzählt«, sagte Luise zu Schwester Monika, »die Ihnen Roland geschickt hat. So eine nette Karte. Wie schade, dass ich sie der Frau Rot nicht auch zeigen konnte.«
    Schwester Monika fühlte sich sichtlich geschmeichelt. Sie griff in ihre Kitteltasche und reichte Fanni eine Postkarte, die aussah, als wäre sie in jener Kitteltasche um den halben Erdball gereist.
    Abgestempelt war sie am 23. Juni in München.
    Fanni beeilte sich, sie umzudrehen und die Karikatur auf der Vorderseite zu betrachten. Als sie Tante Luises stechenden Blick spürte, zwang sie sich zu einem Schmunzeln.
    Schwester Monika pumpte die Blutdruckmanschette auf.
    Tante Luise zog plötzlich ein besorgtes Gesicht. »Sie werden uns doch nicht auch noch verlassen wollen, Schwester Monika? Sie werden doch nicht fortgehen – zu Roland in die Berge? Das dürfen Sie nicht tun!«
    Die Schwester hielt das Messgerät in der Rechten und las die Zahlen auf der Skala ab. Mit der Linken tätschelte sie Luises Arm. »Aber natürlich nicht. Ich kann doch meinen Job nicht einfach hinwerfen.«
    Tante Luise fuhr erschrocken zusammen. »Meinen Sie etwa, Roland kommt nie mehr zu uns zurück?«
    Schwester Monika nahm ihr die Manschette ab, faltete sie zusammen und presste sie an die Brust. Ihre Stimme klang erstickt, als sie sagte: »Roland hat nicht die geringste Chance, je wieder in der Katherinenresidenz arbeiten zu dürfen. Daran hat Herr Hanno keinen Zweifel gelassen.«
    »Der Hanno ist ein Saubeutel«, wetterte Tante Luise, »lacht sich ins Fäustchen, weil er jetzt eine Handhabe gegen Roland hat. Weil er endlich durchsetzen kann, dass Roland geschasst wird. Dumm«, schimpfte sie, »engstirnig, beschränkt, auf so einen hervorragenden Pfleger zu verzichten.«
    Schwester Monikas Mundwinkel zogen sich bekümmert abwärts. »Alle, die Heimleitung, der Heimbeirat, sogar Dr. Benat sind sich einig, dass ein unzuverlässiger Angestellter – wie kompetent er auch sein mag – in einem renommierten Seniorenheim nicht tragbar ist.«
    »Hört sich tatsächlich nach Dr. Benat an«, sagte Tante Luise.
    Schwester Monika nickte. »Er ist gleich nach seinem Termin beim Oberlandesgericht nach Deggendorf zurückgefahren, damit er mittags an der Besprechung teilnehmen konnte, bei der es um die Antwort der Katherinenresidenz auf Rolands Brief ging.«
    »Ach, deshalb habe ich ihn mit wehenden Rockschößen die Allee heraufrennen sehen«, meinte Tante Luise.
    »Punkt zwölf fing die Sondersitzung an«, erklärte Schwester Monika. »Sie ist eiligst einberufen worden, nachdem der Heimleiter Rolands Schreiben geöffnet hatte.«
    Tante Luise verdrehte die Augen. »Was für ein Aufruhr, nur weil

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