Milchrahmstrudel
herum.
Sauerkraut! Hast du noch genügend?
Widerwillig kehrte Fanni in die Alltäglichkeit zurück und machte sich auf den Weg in die Speisekammer, um nachzusehen.
Sauerkraut war keines da – weder in Beuteln noch in Dosen –, und die Anzahl der Kartoffeln im Säckchen war auf drei zusammengeschmolzen.
Fanni sah auf die Uhr: sieben vorbei.
Auf dem Klein-Hof oberhalb der Wiese, die hinter dem Rot’schen Haus lag, würden Bene, Olga, Ivo und der alte Klein soeben die Stallarbeit beenden.
Die beste Zeit, sagte sich Fanni, dort anzuklopfen und nach Kartoffeln und einer Portion von dem selbst hergestellten Sauerkraut zu fragen, das man am Hof bekommen kann, solang der Vorrat reicht.
Bauer Klein pflegte alljährlich nach der Weißkrauternte eine ordentliche Ladung Kohlköpfe eigenhändig zu hobeln und einzusalzen. Das Eintreten der Kohlschichten besorgten glücklicherweise Olga und Ivo. Aber selbst wenn der alte Klein persönlich mit seinen schwieligen, verhornten Plattfüßen in dem Kraut herumgestampft wäre, hätte das der Beliebtheit des Erzeugnisses wohl keinen Abbruch getan. So sehr die Leute aus Erlenweiler und Umgebung Bauer Klein verabscheuten, so sehr liebten sie sein Kraut.
Fanni hoffte, dass noch ein halbes Pfündchen für sie übrig war.
An der Tür des Hofhauses traf sie auf Bauer Klein.
Als sie seiner ansichtig wurde, ließ sie vor Verblüffung die Schüssel fallen (die zum Glück aus Kunststoff bestand), in der sie das Kraut nach Hause befördern wollte, das der Bauer herkömmlicherweise mit einer Kelle aus einem Holzfass schöpfte.
Was Fanni so ungeheuer erstaunte, war nicht der Bauer selbst. Der sah aus wie immer: Auf seinem spärlichen Haar saß der speckige Filzhut, der ihm zwei Nummern zu klein war. Um seinen mageren Oberkörper hing ein kariertes Flanellhemd, das einmal Hans Rot gehört hatte. »Für den Stall taugen die alten Hemden mit den durchgescheuerten Manschetten und den ausgefransten Krägen«, hatte der Bauer vor Jahren zu Fanni gesagt und trug seither Hans Rots alte Oberbekleidung auf. Um seine dürren Beine schlackerte ein verschossener Blaumann, und die Plattfüße steckten in den obligaten Latschen, die Klein selbst herstellte, indem er von ausgedienten Schuhen die Fersenteile abschnitt.
Was Fannis Schüssel abrupt zu Boden poltern und über die Gred hüpfen ließ, war das Handy, das sich Bauer Klein ans Ohr hielt und in das er von Zeit zu Zeit so etwas wie ein Bellen schickte.
Fanni beeilte sich, die Schüssel aufzuheben. Gebückt wischte sie Sand und Grashalme, Kalkbrösel und winzige Steinchen davon ab, die von dem rauen Belag der Gred daran kleben geblieben waren.
Als sie sich aufrichtete, ließ Bauer Klein das Handy soeben in seiner ausgeleierten Hosentasche verschwinden.
Er klopfte mit der Hand dagegen. »Also eines muss ich sagen, Frau Fanni, praktisch sind die Dinger schon. Zuerst wollte ich es ja auf den Mist werfen, das Handy (aus dem Mund des Bauern klang das Wort wie »Hendi«). Gleich als Olga es mir vor die Nase gehalten und gesagt hat: ›Bauer, du brauchst ein eigenes Handy‹, wollte ich es auf den Mist werfen. Aber inzwischen …«
Er nahm den Hut ab, kratzte sich den Hinterkopf und setzte den Filzlappen wieder auf. »Sie hat wirklich recht gehabt, die Olga. Wie oft ist es denn früher so gewesen, dass der Bene ums Schmierfett für den Traktor ins Lagerhaus gefahren ist? Und kaum war er weg, hat sich herausgestellt, dass nicht mehr genug Kraftfutter da war. Da hat dann das ganze Fluchen nix genützt. Seit aber die Olga dafür gesorgt hat, dass jeder von uns mit so einem Hosentaschentelefon ausgerüstet ist, brauch ich bloß auf zwei Knöpfe drücken und hab den Bene in der Leitung.«
Während er redete, war Olga aus dem Haus gekommen. Sie hatte offenbar das meiste von dem, was der Bauer gesprochen hatte, mitgehört, denn sie zwinkerte Fanni verschwörerisch zu.
Dann wandte sie sich an ihren Schwiegervater. »Stimmt es also, was der Anwalt gesagt hat?«
Der Bauer winkte unwillig ab. »Schaut ganz danach aus. Aber was soll das schon für eine Hinterlassenschaft sein? Eine saure Wiese an der Lusenhäng?«
Fanni fühlte sich fehl am Platz. Die Privatangelegenheiten der Kleins gingen sie nicht das Geringste an. Sie schickte sich an, zum Stall hinüberzugehen, um dort zu warten, bis Olga und der Bauer ihr Gespräch beendet hatten. Da sagte Olga zu ihr: »Der Bene hat eine Erbschaft gemacht.«
»Das ist doch eine gute Nachricht«, erwiderte Fanni,
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