Milchrahmstrudel
weil der Bauer dazu ein Gesicht machte, als hätten sich in seinem Sauerkraut Borstenwürmer eingenistet.
»Heute Vormittag«, fuhr Olga fort, »ist im Seniorenheim eine Frau verstorben. In ihrem Nachttisch hat man einen Brief gefunden, in dem steht, dass der Bene ihr Erbe ist.«
»Ein Testament«, warf Fanni ein.
Olga schüttelte den Kopf. »Der Anwalt, der am Nachmittag hier war, hat gesagt, als Testament ist das Schriftstück nicht gültig, weil die Verstorbene es nicht eigenhändig geschrieben hat. Das konnte sie wohl nicht mehr. Aber es war auch nicht nötig, weil Bene sowieso der rechtmäßige Erbe ist. Der Brief hatte nur den Sinn, das kundzutun.«
»Sonst wäre ja nie jemand draufgekommen«, brummte der alte Klein dazwischen.
»Zumindest hätte es eine ganze Weile gedauert«, präzisierte Olga.
»Haben Sie denn nicht gewusst, dass Sie mit der Verstorbenen verwandt sind?«, fragte Fanni den Bauern.
»Der Kontakt zur Nagel-Linie ist wohl schon in den Sechzigern abgerissen«, antwortete Olga an seiner Stelle.
Nagel!
Fanni sah so überrascht aus, dass sich der Bauer veranlasst sah, ihr zu erklären: »Meine Alte war eine geborene Nagel.« Er schaute Olga an, als er weitersprach. »Und die Nagels haben nix gehabt als wie eine marode Bruchbude unterm Lusen, drei lausige Kühe und zwei spindeldürre Mädel. Ich hab mir die Jüngere genommen, die Ältere hat es dann eh nicht mehr lang gemacht.« Wieder klopfte er auf das Handy in seiner Hosentasche. »Der Bürgermeister von dem Nest am Lusen hat mir gerade bestätigt, dass die ganze Sippschaft inzwischen ausgestorben ist.«
Olga nickte. »So ähnlich steht es auch in dem Brief. Aber da steht noch mehr drin: Es gab auch einen Sohn – ein ganzes Stück älter als die Mädchen –, der allerdings bei einer Tante in der Stadt aufgewachsen ist. Er ist Bundestagsabgeordneter geworden. Ende der Achtziger hat er die jetzt in der Katherinenresidenz verstorbene Frau Nagel in Bonn geheiratet. Die beiden hatten keine Kinder. Nach der Pensionierung zogen sie nach Niederbayern, wo Herr Nagel bald verstarb. Offenbar begann sich Frau Nagel daraufhin für die Familie ihres Mannes zu interessieren, stellte Nachforschungen an und fand die Spur, die zu Bene führte.« Olga sah ehrlich bekümmert aus, als sie weitersprach: »Frau Nagel muss schon sehr hinfällig gewesen sein, als sie erfuhr, wie der einzige Verwandte hieß, denn sonst hätte sie ja den Brief selbst geschrieben oder sich direkt an uns gewandt. Bestimmt hätte sie den Neffen ihres Mannes gern kennenlernen wollen.«
»Soviel ich weiß, war Frau Nagel längere Zeit bettlägrig«, sagte Fanni. Als sie die verdutzten Gesichter von Olga und dem Bauern sah, beeilte sie sich zu erklären: »Frau Nagel wohnte in der Katherinenresidenz in einem Apartment neben dem der Tante meines Mannes. Ich habe sie zwar nie persönlich gesehen, aber Tante Luise hat oft von ihr gesprochen.«
Fanni dachte kurz nach, dann fügte sie vorsichtig hinzu: »Mir ist so, als hätte ich aufgeschnappt, dass Frau Nagel ein Haus in Deggendorf hinterlassen hat – zumindest ein Grundstück«, verbesserte sie sich schnell.
»Der Anwalt hat auch von einer hochwertigen Immobilie gesprochen«, erwiderte Olga und warf ihrem Schwiegervater einen raschen Blick zu. »Von wegen saure Wiese.«
»Wird sich ja früher oder später herausstellen«, brummte der Bauer.
»Bald schon.« Olga lächelte. »Der Anwalt hat nämlich gesagt, dass sich sämtliche Unterlagen in seiner Kanzlei befinden, weil er Frau Nagel viele Jahre lang als Berufsbetreuer zur Seite gestanden hat. Es wird allerdings ein paar Tage dauern, alles zu sichten.«
Natürlich, die Nagel hatte einen Betreuer! Musste einen haben!
Fanni schluckte. »Der Name des Anwalts, ist der …«
»Dr. Benat«, antwortete Olga.
Auf dem Nachhauseweg schlenkerte eine Tüte voll Kartoffeln an Fannis rechtem Arm; in ihren Händen wippte die Krautschüssel, und in ihrem Kopf fuhren die Gedanken Karussell.
Hans Rot hatte es sich mit der » ADAC Motorwelt« in einem Korbstuhl im Wintergarten bequem gemacht.
Fanni überließ ihn seiner Lektüre und setzte sich allein ins Wohnzimmer, um nachzudenken. Verbissen versuchte sie, Ordnung in ihrem Kopf zu schaffen. Aber schon nach kurzer Zeit gab sie seufzend auf.
Sprudel müsste hier sein, wünschte sie sich. Mit ihm zusammen ließen sich die neuen Anhaltspunkte zu einem vernünftigen Ganzen zusammenfügen. Ob er wohl von dem Treffen mit Marco schon zurück
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