Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Milchrahmstrudel

Milchrahmstrudel

Titel: Milchrahmstrudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler Jutta
Vom Netzwerk:
scheinst ja neuerdings eine Menge Zeit bei ihr zu verbringen.«
    Fanni erschrak. Sie hatte Luise doch gebeten, nichts über ihre konspirativen Treffen verlauten zu lassen. Hatte sich die alte Dame verplappert?
    Fanni entschied, auf die Bemerkung ihres Mannes einfach nicht einzugehen, und sagte stattdessen: »Die Kassenprüfung beim Schützenverein ist wohl schneller über die Bühne gegangen, als du dachtest. Hast du schon zu Abend gegessen?«
    »Bin gerade dabei«, brummte Hans Rot und verschwand im Esszimmer.
    Als Fanni hineinkam, saß er vor einem Brettchen, auf dem zwei Brezen und ein großes Stück Presssack lagen.
    »Wo kommt denn …«, begann Fanni.
    »Hab ich mir schnell beim Birkdorfer Metzger geholt«, beantwortete er die vorhersehbare Frage. »War ja nichts da.«
    Jedenfalls nichts, was Hans Rot hätte essen wollen!
    Fanni erschrak von Neuem, als ihr Blick auf ein Heftchen fiel, das aufgeschlagen neben Hans’ Bierglas lag. Es handelte sich um die Werbebroschüre aus Windischgarsten.
    »Wo hast du …«
    Hans Rot war ihrem Blick gefolgt, und wieder beantwortete er ihre Frage, ehe sie gestellt war. »Hab ich in der Kommodenschublade im Flur gefunden: Prospekte aus der Pyhrn-Priel-Region. Die müssen wir mitgenommen haben, als wir das letzte Mal dort waren.«
    Fanni atmete auf. Ihr Mann hatte offenbar die Jahreszahl links unten am Deckblatt übersehen.
    Er schob sich ein Stück Presssack in den Mund, wischte die Finger an der Hose ab und blätterte ein wenig zurück. »Schau, wer da abgebildet ist.«
    Fanni beugte sich über die aufgeschlagene Seite.
    Das Foto, auf das Hans Rots noch fettglänzender Finger deutete, zeigte eine Gruppe von Personen, die zusahen, wie ein älterer Herr mit einer Schere ein Band durchschnitt, das quer über eine Straße gespannt war – offensichtlich die feierliche Eröffnung eines neuen Verkehrswegs. Fanni sah sich den Herrn mit der Schere an und entschied, dass sie ihn nie zuvor gesehen hatte. Sie betrachtete zwei Männer und eine Frau links neben ihm, konnte die Gesichter jedoch niemandem zuordnen, den sie kannte.
    »Hier«, rief Hans Rot und klatschte den Zeigefinger auf eine Figur am rechten Bildrand, wobei er sie von den Knien bis zum Hals verdeckte.
    Der Kopf jener Person, der jetzt wirkte, als würde er aus Hans Rots Fingernagel herauswachsen, kam Fanni bekannt vor. Volle weiße Haare, randlose Brille, Seriosität im Blick.
    »Das ist ja Herr Benat«, sagte sie.
    Hans Rot nickte bestätigend.
    »Was macht er auf einem Foto im Werbeprospekt der Pyhrn-Priel-Region?«, wunderte sich Fanni. »Eigenartig …«
    »Eigenartig«, äffte Hans Rot sie nach. »Was ist denn daran eigenartig? Der Herr Dr. Benat ist ein aufgeschlossener Mann mit einem weiten Horizont. Der knüpft Kontakte, schlägt Brücken. Heutzutage, wo alle von Globalisierung reden, ist es nicht mehr zeitgemäß, dass jede Gemeinde ihr eigenes Süppchen kocht, sich abkapselt, statt sich den nahen und fernen Nachbarn zu öffnen.«
    »Aber Benat hat gar keine offizielle Funktion in unserm Landkreis«, wagte Fanni einzuwenden.
    »Er sitzt nicht im Kommunalrat«, gab Hans Rot zu, »das stimmt schon. Aber hab ich dir nicht gesagt, dass er eine Menge Ehrenämter innehat, dass er vielen Vereinen als erster oder zweiter Vorsitzender zur Verfügung steht? Dr. Benat ist einer der würdigsten Vertreter unserer Kreisstadt und unserer Gemeinden.«
    Mag ja sein, dachte Fanni, aber seltsam ist es schon, dass Benat ausgerechnet in Windischgarsten …
    So seltsam auch wieder nicht! Es ist doch seit Jahren groß in Mode, dass sich Städte am laufenden Band – verschwistern? – verbrüdern? – Partnerschaften eingehen nennt man es wohl!
    Trotzdem.
    Hans Rot hatte seinen Presssack verputzt. Während er auf dem letzten Bissen der zweiten Breze kaute, sagte er: »Der Birkdorfer Metzger hat heute früh geschlachtet, darum gab es ganz frische Blut- und Leberwürste. Schlachtschüssel haben wir schon eine Ewigkeit nicht mehr gegessen, Fanni.« Er sie vorwurfsvoll an. »Das wäre endlich mal was Gescheites, hab ich mit gedacht. Für morgen Mittag zum Beispiel. Mein Fannilein weiß sowieso nie, was es auf den Tisch bringen soll.«
    »Da hast du deinem Fannilein die Qual der Wahl abgenommen.«
    Hans Rot nickte. »Die Würste liegen im Kühlschrank. Du machst doch Sauerkraut dazu und Pellkartoffeln, oder?«
    Fanni bejahte zerstreut. Die dritte Linie, die von der Katherinenresidenz nach Windischgarsten führte, geisterte in ihrem Kopf

Weitere Kostenlose Bücher