Milchschaum
Kartoffeln mit einem Stampfer.
Obwohl freitags für Hans und seinen Kollegen Senftl bereits am Mittag Büroschluss war, hatten heute beide wegen einer Betriebsversammlung länger in ihrer Dienststelle bleiben müssen. Hans hatte Fanni erzählt, worum es bei der Sitzung gehen würde: »Neue Richtlinien! Einsparungen! Das Ganze läuft für einige von uns auf Versetzung oder vorzeitigen Ruhestand hinaus.«
Fanni fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn ihr Mann Rentner war.
Hans schlüpfte soeben in seine Jacke, hakte den Reißverschluss ein, angelte den Wagenschlüssel von der Kommode, warf ein »Ghm später« durch die Küchentür und verließ das Haus.
Fanni streute Mehl, Salz und Muskat auf die zerdrückten Kartoffeln, schlug ein Ei drauf, tauchte die Hände in den Mischmasch und begann zu kneten.
Viertel vor sechs.
Fanni formte aus dem Kartoffelteig Nudeln in der Größe ihres kleinen Fingers und briet sie nach und nach in einer Pfanne. Die fertigen Schupfnudeln stellte sie in der Backröhre warm.
Halb sieben.
»Sieben«, hatte Leni gesagt.
Fanni ging in den Keller. Sie sprayte gerade »Grip & Glide« auf ihre und auf Sprudels Langlaufski, als sie Lenis Wagen in die Zufahrt einbiegen hörte. Fünf Minuten später tappten zwei Plüschbären an Lenis Füßen die Kellertreppe herunter.
Leni umarmte ihre Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen auf die Ski, die Fanni soeben in ihre Halterung zurückstellte.
»Wir gehen morgen langlaufen, Sprudel und ich«, sagte Fanni.
Leni machte das Victory-Zeichen.
Gemeinsam stiegen sie die Treppe wieder hinauf.
Während Fanni die Schupfnudeln aus dem Ofen holte, sah Leni nachdenklich aus dem Fenster. Plötzlich drehte sie sich zu ihrer Mutter um.
»Sag mal, Mami, das Hütterl, von dem du mir neulich erzählt hast, das benutzt ihr ja dann morgen nicht, du und Sprudel.«
Fanni schüttelte den Kopf und setzte sich an den Tisch.
»Würdest du es mir leihen?«, bat Leni.
Fanni sah sie fragend an.
»Wir haben uns eine Menge zu erzählen«, erklärte Leni. »Das Hütterl wäre ideal dafür. In den Kneipen ist es zu laut oder zu öde, zum Spazierengehen ist es zu matschig, und wenn wir den Tag hier im Haus verbringen, dann gibt’s in Erlenweiler zwei Wochen lang Klatsch und Tratsch.«
Fanni zog den Hüttenschlüssel heraus, der noch in ihrer Hosentasche gesteckt hatte, und legte ihn neben Lenis Teller.
»Danke, Mami.« Leni ließ ihn in ihrer eigenen Hosentasche verschwinden, dann begann sie, Kartoffelnudeln aufzuspießen.
»Wo kommt dein Freund denn her?«, fragte Fanni.
Leni kaute und schluckte, sagte: »Straubing«, und schob eine weitere Fuhre in den Mund.
»Gut«, gab Fanni auf. »Erzähl mir nach dem Essen von ihm.«
Leni nickte.
Während Leni etliche Portionen ihrer Leibspeise vertilgte, berichtete Fanni von all dem, was Sprudel und ihr in den letzten Tagen zu denken gegeben hatte: vom Brand am Saller-Anwesen, von Satanisten, die sich nicht aufspüren ließen. Von Elsie Kraft, die sich nicht nur für Liederbücher und Weihwasserkesselchen, sondern irritierenderweise auch für Wetterkerzen interessierte, und die – konnte so etwas vorkommen? – möglicherweise plötzlich verrückt geworden war. Vom Sohn des verstorbenen Bürgermeisters, der zusammen mit Pfarrer Winzig das Gymnasium in Cham besucht hatte und ein Jahr vor dem Abitur verunglückt war. Von einem Unbekannten in Wildlederjacke, der den Pfarrer auf dem Kirchplatz angesprochen, vermutlich zum Friedhof gelotst und vielleicht dort erschlagen hatte.
Auf einmal unterbrach sich Fanni. »Wieso habe ich das Gefühl, dass du einiges davon schon weißt?«
Leni lachte, schob den leeren Teller beiseite und sagte: »Deine Schupfnudeln sind nicht zu überbieten. Ich wette, nicht mal Olga würde sie besser hinkriegen.«
Sie stand auf. »Ich mach uns einen Espresso, und dann beantworte ich alle Fragen, die dir einfallen.«
Fanni hörte die Kaffeemaschine mahlen, registrierte das Klack-Klack, das immer ertönte, wenn das Kaffeepulver zusammengepresst wurde, und dann hörte sie die Haustür ins Schloss fallen.
Hans Rot kam schon zurück. Es war erst kurz nach acht.
»So früh«, staunte ihn Fanni an.
»Muss zeitig raus«, antwortete er, »und außerdem brauch ich morgen eine ruhige Hand.«
Leni kippte ihren Espresso hinunter.
Plötzlich legte sie ihre Wange an Fannis Wange, flüsterte ihr »Wir unterhalten uns morgen« ins Ohr und eilte in ihr Zimmer
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