Miles Flint 01 - Die Verschollenen
wir werden das Bestmögliche für Ihre Familie tun.«
DeRicci gefiel das nicht. Reese machte närrische Versprechungen. Sie mochten versuchen, das Bestmögliche zu tun, aber vermutlich würden sie gar nichts tun können. Sie alle waren an die interstellaren Gesetze gebunden.
Die Mitarbeiterin ergriff Wilders Arm und sprach mit ihm, als wäre er ein kleines Kind. Offensichtlich hatte sie dergleichen schon früher getan. Wilder sah sich einmal über die Schulter um, und seine Miene war gleichermaßen verzweifelt wie resigniert. Dann verschwanden die beiden hinter einer Ecke, was DeRicci mit einem Seufzer der Erleichterung quittierte.
»Das wird nie leichter«, sagte sie zu Reese.
»Gehen wir rein«, erwiderte der und presste die Lippen aufeinander.
Er öffnete die Tür zum Konferenzraum. Der Raum war vollständig dicht, keine Fenster und eine Menge künstliches Licht. Die Wände waren mit eingebauten Bildschirmen ausgestattet, die dem Aussehen nach rotierende Panoramabilder liefern sollten, doch auch die waren derzeit offensichtlich abgeschaltet.
So elegant der Raum auch ausgestattet war, fühlte er sich doch mehr wie ein Gefängnis an als einige der Zellen, die DeRicci gesehen hatte.
Justine Wilder saß am Ende des Tischs, als würde sie sich darauf vorbereiten, eine Vorstandssitzung zu leiten. Ihre Hände lagen gefaltet auf der Mahagonioberfläche. Carryth saß neben ihr, vorgebeugt wie ein verzweifelter Galan.
Carryth entsprach optisch schon eher DeRiccis Erwartungen. Er war so dünn, dass er schon als hager durchgehen konnte, und seine Augen waren zu klein für sein Gesicht. Er hatte eine billige Modifikation an seinen Haaren vornehmen lassen, um eine Glatze zu verdecken, und das Haar wuchs an der Stelle dicker und in einer anderen Farbe. Da sich die Modifikation am Hinterkopf befand, hatte er selbst davon vermutlich noch gar nichts gemerkt.
»Mr. Wilder hat gesagt, Sie wollten uns hier dabeihaben«, sagte Reese.
Carryth nickte. »Da ich im Grunde für Sie arbeite und nicht für Mrs. Wilder, brauchen wir Ihre Zustimmung für unseren Plan.«
»Und was mache ich dann hier?«, fragte DeRicci.
Carryth dunkle Augen suchten die ihren. »Sie sind die Einzige von uns, die mit den Wygnin über diesen Fall gesprochen hat. Ich dachte, Sie könnten uns vielleicht mit Ihren Erkenntnissen zur Seite stehen.«
DeRicci nickte, bezweifelte aber, dass sie würde helfen können; trotzdem war sie bereit zu bleiben. Sie war zu müde, um weiter nach Palmer zu suchen – falls Palmer tatsächlich noch auf freiem Fuß war – und ganz bestimmt wollte sie sich jetzt nicht den Rev oder den Wygnin stellen müssen. Wenn sie hier blieb, würde man sie mit all dem für eine Weile in Ruhe lassen.
»Aber«, fuhr Carryth fort, »alles, was wir in diesem Raum sagen, unterliegt der Geheimhaltung und darf diesen Raum nicht verlassen. Falls Sie sich damit nicht einverstanden erklären können, werden Sie gehen müssen.«
DeRicci ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen. Er verfügte über eine gepolsterte Sitzfläche, mit der sie überhaupt nicht gerechnet hatte, und war sehr bequem. »Ich kann ein Geheimnis bewahren.«
»Gut.« Carryth drehte sich zu Justine Wilder um. »Mrs. Wilder, möchten Sie den beiden die Geschichte erzählen?«
Reese saß neben Justine Wilder und bedachte sie mit einem warmherzigen Lächeln. Sie erwiderte sein Lächeln nicht. Tatsächlich wirkte sie eher noch angespannter als vor einer Weile im Zeugenzimmer. DeRicci hatte das seltsame Gefühl, Mrs. Wilder würde einfach in tausend Scherben zerspringen, sollte sie sie auch nur berühren.
»Mein Mann«, sagte Mrs. Wilder mit heiserer, leiser Stimme, »weiß nichts über diese Sache. Ich werde es ihm erzählen müssen, aber ich ziehe es vor, das auf meine Weise zu tun. Verstehen Sie das?«
DeRicci nickte. Reese klappte den Mund auf, als wolle er sie darauf hinweisen, dass die Geheimhaltung natürlich auch diesen Fall abdeckte; aber Carryth hielt ihn mit einem kaum merklichen Kopfschütteln davon ab.
»Der Vollzugsbefehl der Wygnin ist rechtmäßig.« Justine Wilder senkte den Kopf. »Ich habe vor fünfzehn Jahren auf Korsve gelebt, bevor ich meinem Mann begegnet bin. Damals hatte ich einen anderen Namen – den Namen, der auf dem Vollzugsbefehl steht.«
Es war, als fürchtete sie sich noch immer, den Namen auch nur auszusprechen. Vielleicht hatte die Gewohnheit, ihre Identität zu verheimlichen, so tiefe Wurzeln geschlagen, dass sie den Namen überhaupt nicht
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