Miles Flint 01 - Die Verschollenen
eine derartige Täuschung keine Wirkung mehr erzielen würde; ihre Taten hatten deutlich gemacht, wie durchtrieben sie tatsächlich war. Er würde nicht den gleichen Fehler begehen wie DeRicci.
Diese Tasche war allerdings ein kleines Wunderwerk. Sie sah aus, als wäre sie zu klein für eine Waffe. Und sogar, als Maakestad hineingegriffen hatte – eine Bewegung, die Flint nicht einmal aufgefallen wäre, hätte er nicht genau darauf gewartet –, sah es nicht so aus, als würde sie irgendetwas Bedrohliches enthalten.
Aber er wusste, dass der Luftwagen verunglückt war, weil jemand mit einer Laserpistole in die Sekundärsysteme gefeuert hatte, und diese Pistole war verschwunden. Was bedeutete, dass sie sie haben musste.
Und nun saß sie mit ihm in diesem kleinen Raum in der Falle. Sie würde nach ihr greifen. Jede halbwegs aufgeweckte Person würde exakt das tun.
»Legen Sie die Tasche ab«, wiederholte er. »Und denken Sie nicht einmal daran, die Waffe zu benutzen.«
»Sie sollten tun, was er sagt.« Palomas Stimme klang beinahe bedauernd. »Wenn hier drin eine Waffe abgefeuert wird, wird mein Sicherheitssystem den Schützen töten.«
Maakestad presste die Tasche für einen endlosen Moment an den Körper, studierte unverkennbar die vergilbten Wände und ließ das scheinbar so technikarme Büro auf sich wirken. Dann, nachdem noch ein Augenblick vergangen war, ließ sie die Tasche auf den Boden fallen.
Flint hatte sie. Die Suche nach der Flüchtigen war zu Ende.
Paloma beobachtete ihn vom Schreibtisch aus, als hätte sie ihn noch nie zuvor gesehen. Er hatte sich nicht gerührt. Er hielt noch immer die Pistole in der Hand, den Finger nach wie vor am Abzug.
Würde er Maakestad jetzt zum Revier zurückbringen, würden die Rev sie gefangen nehmen. Sie würde in diesem Gefangenenschiff verschwinden, und niemand würde sie je wieder zu Gesicht bekommen.
Sie würde nicht gebrochen werden wie ein Erwachsener, der von den Wygnin mitgenommen wird, und sie würde auch nicht auf Art der Disty ausgeweidet werden. Stattdessen standen ihr Jahre harter Arbeit bevor – Arbeit, die so schwer war, dass manche Menschen bei ihrer Verrichtung den Tod fanden – und das alles, weil sie ihre Arbeit gut gemacht hatte.
Maakestad starrte ihn mit trotziger Miene an. In ihrem Gesicht war keine Spur von Hoffnung zu erkennen, aber auch keine Resignation. Sie würde mit ihm gehen, und sie würde ihn unterwegs ununterbrochen bekämpfen.
Und war das nicht genau das, was er in ihrer Position ebenfalls tun würde? Immerhin, was hatte sie denn so Schlimmes getan? Sie war ein Risiko eingegangen, ein kalkuliertes Risiko, und hatte versucht, einen Klienten vor dem Rev-Gefängnis zu bewahren, einen Klienten, der einer Tat beschuldigt worden war, die er begangen haben mochte oder auch nicht. Wenn jemand einen Fehler gemacht hatte, dann dieser namenlose Klient, der sie verraten hatte, indem er ein ähnliches Verbrechen begangen hatte. Hätte sich dieser Klient fortan rechtschaffen verhalten, wäre Maakestad nichts passiert.
Flint war viele Risiken eingegangen, die meisten davon in den letzten paar Tagen. Er wägte die Chancen ab und ging kalkuliert vor, setzte die Buchstaben des Gesetzes gegen die Möglichkeit davonzukommen, und das alles nur, weil er versuchte, etwas zu tun, woran er glaubte.
Wäre er Anwalt auf Revnata, hätte er vielleicht etwas Ähnliches getan wie Maakestad.
Flint hatte keine Ahnung, wie lange er da gestanden und die Waffe auf sie gerichtet hatte. Sie rührte sich nicht. Ebenso wenig wie Paloma. Würde er jetzt schießen, wäre das seine Entscheidung. Das Sicherheitssystem würde ihn erledigen, nachdem er sie erledigt hatte.
Flint wusste Bescheid, und er hatte noch immer die Wahl, genau, wie sie die Wahl gehabt hatte. Aber er wusste, dass es das Risiko nicht wert war. Er würde sein Leben nicht opfern, um das der Frau zu nehmen. Sie war nicht diese Art von Verbrecherin, und er war nicht diese Art von Mann.
»Geben Sie mir die Tasche«, forderte er, und seine Kehle fühlte sich rau an, als hätte er lange Zeit nicht gesprochen. Er fragte sich, ob sich seine Denkprozesse in seinem Gesicht niedergeschlagen hatten und wie die beiden Frauen seine Mimik deuteten. »Treten Sie sie zu mir herüber.«
Sie tat es. Die Tasche glitt über den unebenen Boden und verfing sich an einer Ritze. Maakestad musste ihr noch einen Tritt versetzen, um sie in seine Nähe zu befördern. Flint benutzte seinen Fuß wie ein Fußballspieler, der sich
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