Miles Flint 01 - Die Verschollenen
den Ball zurechtlegen wollte, um die Tasche zu sich zu bugsieren.
Dann, den Blick und die Pistole unentwegt auf Maakestad gerichtet, bückte er sich, hob die Tasche auf und überreichte sie Paloma. Die beäugte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen, und für einen Moment glaubte er, sie würde gleich lächeln.
Und er war froh, dass sie es nicht tat.
»Wie viel schulde ich dir?«, fragte er.
Sie blinzelte, als hätte sie vergessen, worüber sie gesprochen hatten. Aber sie hatte sich schnell wieder gefangen. »Zwanzig.«
»Das ist billig, Paloma. Berechne mir, was du deinen normalen Kunden berechnen würdest.«
»Du bist kein normaler Kunde, Miles. Zwanzig. Das ist alles.«
Maakestad ließ ihn nicht aus den Augen. Wachsamkeit spiegelte sich in ihren Zügen. Sie dachte sicher, Paloma hätte irgendwie gewusst, dass sie kommen würde, und sie hätte sie an ihn ausgeliefert.
Sollte sie das nur denken.
»Gib mir deine Kontodaten, dann transferiere ich das Geld«, sagte er.
Paloma reichte ihm eine Geschäftskarte aus Papier. So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen. »Die Nummer steht da drauf«, sagte sie. »Transferiere das Geld, sobald du das Büro verlässt.«
Er nickte. Dann drehte er sich zu Maakestad um. Langsam und bedächtig senkte er die Waffe.
Zarte Falten zeichneten sich auf ihrer Stirn ab, aber davon abgesehen reagierte sie nicht.
»Wir können die Rev vielleicht noch ein paar Stunden beschäftigen. Danach werden sie selbst nach Ihnen suchen. Und natürlich würden alle Streifenbeamten Sie einbuchten, sollten sie Sie erwischen. Wenn Sie Armstrong bis Tagesende nicht verlassen haben, sind Sie auf sich gestellt.« Flint steckte die Pistole ins Holster. »Verstanden?«
Maakestad nickte verblüfft.
»Gut«, sagte er. »Ich hoffe, ich sehe Sie nie wieder.« Und damit verließ er den Raum.
Draußen kam es ihm sehr hell vor, und das Licht fiel auf all den Schmutz, der an den Gebäuden und der Kuppel klebte. Wie dreckig Armstrong war, war ihm bis jetzt nie bewusst gewesen.
Vermutlich beobachtete Paloma ihn über ihr System und fragte sich, was er tat. DeRicci hatte sich gefragt, was er tat, als er sie im Krankenhaus verlassen hatte. Und Maakestad hatte sich vermutlich gefragt, was er tat, als er sie in dem Büro allein gelassen hatte.
Er wusste, was er tat. Er traf eine Entscheidung.
Aber er musste erst ein paar Dinge zu Ende bringen, ehe er über sich und seine eigene Zukunft nachdenken konnte.
Flint seufzte und machte sich auf den Weg zum City Complex. Er musste mit einem Anwalt sprechen.
27
E katerina zitterte. Ihre Beine fühlten sich an, als wollten sie unter ihr nachgeben. Lange Zeit starrte sie einfach nur die geschlossene Tür an.
Er würde zurückkommen. Sie wusste es. Er hatte sie lediglich getäuscht und würde jeden Moment mit einem Schwarm Polizisten, mit Handschellen und einem gepanzerten Fahrzeug, an dem sie nicht würde herumspielen können, zurückkehren und sie zu den Rev bringen.
Aber er kam nicht zurück. Die Tür bleib geschlossen, und sie war allein mit der alten Frau. Mit der Lokalisierungsspezialistin namens Paloma.
Endlich sah Ekaterina sie an, unfähig, ihr Erstaunen zu bezwingen. »Ich dachte, er wäre ein Bulle.«
Die alte Frau lächelte milde und blickte zur Tür. »Oh«, sagte sie sanft, »er ist so viel mehr als das.«
Andrea Gumiela, Chief der First Detective Unit, saß auf ihrem Schreibtisch wie eine Frau, die nicht bezwungen werden konnte. Ihr Büro war größer als alle anderen im vierten Stock, und es hatte eine Zeit gegeben, in der DeRicci dieses Büro gern für sich beansprucht hätte.
Nun jedoch überquerte DeRicci kaum die Schwelle. Sie blieb einfach im Türrahmen stehen und kam sich schon dumm vor, weil sie ihr Anliegen überhaupt vortrug.
»Ich bin dafür nicht geeignet«, erklärte DeRicci. »Ich fürchte, ich werde die Situation nur noch verschlimmern. Ich weiß nicht, wie ich mit den Rev umzugehen habe. Mit den Wygnin, vielleicht. Aber die Rev liegen jenseits meines Erfahrungshorizonts. Ich muss mich auf Gerede und uralte Lektionen aus der Akademie verlassen, die ich nur halb in Erinnerung habe, und das reicht nicht. Wir brauchen jemanden mit echten diplomatischen Fähigkeiten, der sich um diese Sache kümmert.«
Gumiela verschränkte die Arme vor der Brust. »Diese Suppe haben Sie sich selbst eingebrockt, DeRicci. Hätten Sie diese Frau nicht davonkommen lassen …«
»Das streite ich nicht ab, Ma’am«, sagte DeRicci. »Ich versuche
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