Miles Flint 02 - Die Lautlosen
alles mit eigenen Mitteln erledigen sollten.«
»Was wollen sie dann von mir? Wollen die mir irgendeinen Kopfgeldjäger auf den Hals hetzen, der mich bei der Arbeit ausspioniert?«
Paloma schüttelte den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn. Vermutlich machen die gar keinen Unterschied zwischen einem Kopfgeldjäger und einem Lokalisierungsspezialisten. Gott weiß, es gab Zeiten, da habe ich versehentlich den Kopfgeldjäger für jemanden gespielt.«
Flint musterte sie mit gerunzelter Stirn. Das hatte sie bisher noch nie eingestanden. »Wirklich?«
Paloma zuckte mit den Schultern. »Das passiert irgendwann jedem Lokalisierungsspezialisten. Wir können nichts dagegen tun. Wir sind dieser Gefahr ausgeliefert. Und einige Lokalisierungsspezialisten stellen plötzlich fest, dass mit der Schnüffelei im Auftrag von Aliens, die jemanden dazu getrieben haben zu verschwinden, mehr Geld zu machen ist als damit, einen Verschwundenen im Auftrag eines besorgten Familienangehörigen zu suchen. Darum fangen so manche als Lokalisierungsspezialist an, nur um schließlich als Kopfgeldjäger zu enden.«
»Denkst du, so etwas ist auch bei den hauseigenen Ermittlern von WSX passiert?«, fragte Flint. »Denkst du, ihre Mitarbeiter sind zu Kopfgeldjägern geworden und sie wollen diese Angelegenheit niemandem von ihrem Personal anvertrauen, weil sie fürchten, ihre Mitarbeiter würden die Klienten an die Aliens verkaufen, die nach ihnen suchen?«
Paloma legte die Fingerspitzen aneinander und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Dann runzelte sie die Stirn, wedelte mit der Hand, und das vor ihr liegende Fenster wurde lichtundurchlässig. Es wurde so dunkel, dass von dem Ausblick nichts mehr zu sehen war.
»Das verdammte Ding lenkt mich nur ab, wenn ich zu arbeiten versuche«, erklärte Paloma. »Ich habe diese Wohnung gekauft, weil ich hier nicht über wichtige Dinge nachdenken muss, und nun willst du, dass ich es doch tue.«
Flint hätte sich beinahe entschuldigt, konnte sich aber dann doch nicht dazu durchringen. Und er brauchte ihre volle Aufmerksamkeit.
»Hältst du dich an meine Richtlinien?«, fragte Paloma nach einem Moment des Schweigens.
»Im Umgang mit Klienten?«, fragte Flint zurück.
Paloma nickte.
»Buchstabengetreu«, antwortete er. »Ich benutze noch immer deine Formulierungen.«
Sie lächelte ihm zu, ehe sie nach ihrem Glas griff. Neben ihr schaltete sich eine Lampe ein. Dieses ganze Appartement war mit ihr verlinkt; augenscheinlich kontrollierte sie es Kraft ihrer Gedanken.
»Irgendwann wirst du deinen eigenen Berufsstil entwickeln müssen«, sagte sie.
»Ich bin immer noch ein Anfänger, Paloma«, wandte er ein. »Ich habe nicht genug Erfahrung, um auf all deine Systeme zu verzichten.«
Sie seufzte, erhob sich und drehte dem abgedunkelten Fenster den Rücken zu. Ein weiteres Licht schaltete sich auf der anderen Seite des Zimmers ein, gefolgt von Musik, sehr leise, zu leise, um zu erkennen, um welche Art von Musik es sich handelte.
»Sie haben dich zweimal aufgesucht«, sagte Paloma. »Zuerst haben sie eine Mitarbeiterin geschickt, die keine Ahnung hat, was wir tun.«
Flint fiel das ›Wir‹ auf, und er empfand das als tröstlich. Vielleicht war er doch nicht ganz so allein, wie er zu sein glaubte.
»Dann den Sohn des Seniorpartners.« Paloma strich sich mit einem Finger über die Lippen, eine nervöse Geste, eine Geste, die Flint nur selten bei ihr beobachtet hatte. »War es Ignatius oder Justinian?«
»Ignatius«, antwortete Flint. »Mir war nicht klar, dass es noch einen anderen Sohn gibt.«
»Der alte Wagner hatte vier Söhne und zwei Töchter, aber nur zwei Söhne sind in Armstrong geblieben.« Paloma marschierte quer durch den Raum. Flint hatte sie noch nie so ruhelos erlebt. »Ignatius, also, hm?«
»Hat das etwas zu bedeuten?«
»Er war nie der hellste Wagner«, sagte Paloma. »Aber das hat nichts zu sagen. Die meisten Wagners sind Genies, vor allem, wenn es um multikulturelles Recht geht. Ignatius ist lediglich brillant.«
»Lediglich«, wiederholte Flint.
»Er ist zu dir gekommen, nachdem sie ihr System darauf eingestellt haben, dich aufzuspüren.«
Flint nickte. »Er wollte, dass ich ihn in sein Büro begleite.«
»Und du hast abgelehnt.«
»Er wird um sechs in meinem Büro sein.«
»Interessant.« Paloma seufzte. »Ich hätte beinahe angenommen, er hätte ohne das Wissen von WSX gehandelt, aber da er dich in sein Büro eingeladen hat, will er dir wohl nichts verheimlichen.«
»Können wir
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