Miles Flint 02 - Die Lautlosen
darauf zählen?«, fragte Flint. »Ich gehe davon aus, dass sie sich auf meine Inkompetenz verlassen, weil ich neu im Geschäft bin.«
Paloma drehte sich um, und ihr Stirnrunzeln vertiefte die Falten in ihrem Gesicht. »Denkst du, dass Ignatius derartige Spielchen treibt?«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll«, entgegnete Flint.
»Sie geben sich eine Menge Mühe, um dich an Land zu ziehen«, sinnierte Paloma.
»Genau deshalb bin ich zu dir gekommen, um dich nach deiner Beziehung zu dem Unternehmen zu fragen.«
Sie schüttelte sacht den Kopf. »Meine Beziehung zu den Wagners ist irrelevant.«
Ein interessanter Wechsel in der Wortwahl, wie Flint dachte. Er fragte sich, ob ihr überhaupt bewusst war, dass sie Wagner gesagt hatte, als die Kanzlei gemeint war. Aber er wollte Paloma nicht unterschätzen. Vielleicht versuchte sie auch nur, ihm etwas zu sagen.
Vielleicht hielt sie ihre Wohnung nicht für so sicher, wie sie hätte sein können. Der Gedanke war ihm bisher gar nicht in den Sinn gekommen.
»Warum hältst du dich in dieser Sache für irrelevant?«, hakte Flint nach. »Die Mitarbeiterin schien ein wenig verwundert zu sein, dass du nicht mehr aktiv bist.«
»Die Mitarbeiterin ist ebenfalls irrelevant«, sagte Paloma. »Sie war nur die Vorhut, der erste Versuch, dich in die Irre zu führen. Ignatius ist derjenige, der meine Neugier weckt. Wenn sie an mir interessiert wären, wären sie nicht zu dir zurückgekommen, nachdem sie erfahren haben mussten, dass ich dir mein Geschäft verkauft habe. Sie wollen dich, Miles. Die Frage ist, wollen sie dich, weil du ein neuer Lokalisierungsspezialist bist, weil du ein ehemaliger Bulle bist, wegen deiner Verbindungen in dieser Stadt, wegen deiner Familie, wegen …«
»Wegen meiner Familie?«, unterbrach Flint sie. »Meine Eltern sind tot, Paloma, und ich habe keine Geschwister. Da ist keine Familie mehr.«
»Da ist noch eine ehemalige Ehefrau und ein – vergib mir – totes Kind. Diese Leute sind brillant, Miles. Sie könnten mit Gefühlen spielen, von deren Existenz du noch gar nichts weißt.«
Dieses Mal stand Flint auf. Er konnte niemals still sitzen bleiben, wenn jemand seine Tochter erwähnte. Emmeline war schon lange Zeit tot, aber er war nach wie vor nicht darüber hinweg. Das hatte er im letzten Jahr im Zuge eines Falles schmerzhaft erfahren müssen, der dazu geführt hatte, dass er aufgehört hatte, für die Stadt zu arbeiten, und sich selbstständig gemacht hatte.
»Sei nicht böse, Miles«, sagte Paloma. »Die haben sich eine Menge Mühe gemacht, um deinen Spuren zu folgen, und sie haben es nicht verheimlicht. Das ist eine Botschaft. Sie lassen dich wissen, dass sie die Möglichkeiten haben und bereit sind, sie einzusetzen.«
»Was hättest du an meiner Stelle getan?«, fragte Flint und schüttelte das Unbehagen ab, das ihn stets befiel, wenn Emmeline zur Sprache kam.
»Zu mir wären sie nicht gekommen«, entgegnete Paloma.
»Wenn du ich wärest, Paloma. Was würdest du tun?«
Sie bedachte ihn mit einem geheimnisvollen Lächeln und kehrte zu ihrem Sessel zurück. »Das ist exakt die Art von Ratschlag, die ich dir nicht mehr erteilen werde, Miles.«
»Aber …«
»Ich werde nicht immer da sein. Du musst das allein rausfinden. Ich habe dir genug Hinweise gegeben. Jetzt musst du selbst aktiv werden.«
»Du bist doch neugierig, Paloma.«
»Ja.« Sie setzte sich, nahm ihr Wasserglas und leerte es. »Doch Neugier war noch nie Grund genug für mich, einen Fall zu übernehmen. Aber natürlich hatte ich ein anderes Leben, einen anderen Werdegang und meine eigenen Gründe dafür, als Lokalisierungsspezialist zu arbeiten – Gründe, die sich deutlich von deinen unterscheiden.«
»Was bedeutet?«
Sie blickte zu Boden. »Du hast genug Geld. Du hast für den Rest deines Lebens ausgesorgt.«
»Und? Was hat meine finanzielle Situation mit all dem zu tun?«
Sie atmete tief durch. Sogar aus der Entfernung konnte er ihre Verbitterung spüren. »Du musst nicht arbeiten, Miles; trotzdem tust du es. Warum?«
»Weil ich mich sonst langweilen würde.«
»Das Universum ist groß. Ich bin überzeugt, du würdest etwas finden, um dich zu amüsieren.«
»Ich will mich nicht amüsieren«, entgegnete er. »Ich will nützlich sein.«
»Und da hast du es.« Sie sah ihn an, und der Blick ihrer dunklen Augen traf auf seinen. »Etwas geht bei Wagner, Stuart und Xendor vor. Etwas, das wichtig genug ist, einen unerfahrenen Lokalisierungsspezialisten mit Verbindungen
Weitere Kostenlose Bücher