Miles Flint 02 - Die Lautlosen
zur Polizei hineinzuziehen. Vielleicht hat das alles nichts mit den Dingen zu tun, die dir wichtig sind; aber vielleicht wird es sich in einer Form auf deine Zukunft auswirken, die du dir gar nicht vorstellen kannst.«
»Du meinst, ich sollte diesen Fall übernehmen«, sagte Flint.
»Miles, was ich denke, ist nicht wichtig. Aber du darfst dich nicht hinter mir verstecken. Du musst auf eigenen Beinen stehen. Ich habe mein Wissen an dich weitergegeben. Da ist nichts mehr, das ich dir noch zu bieten hätte. Ich kann dir nicht mehr raten. Du bist jetzt ein voll ausgebildeter Lokalisierungsspezialist, und Lokalisierungsspezialisten arbeiten allein.«
Flint spürte, wie seine Wangen zu glühen begannen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er so sehr von ihr abhängig sein könnte. Er hatte nicht damit gerechnet, je irgendjemanden in seinem Leben zu brauchen, eine Vertrauensperson, jemand, dem er vertrauen konnte.
Paloma hatte es ihm schon zuvor erklärt. Jeder, dem er vertraute, konnte benutzt werden – gegen ihn, gegen einen Verschwundenen. Er brachte sie in eine schwierige Lage, und sich selbst auch.
»Es tut mir leid, Paloma.«
»Geh in dein Büro, Miles. Lass mich meine Mondlandschaft genießen. Ich habe meinen Teil längst geleistet.«
Seine Wangen waren so heiß, sie brannten geradezu. Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt fühlte er sich bedürftig und zurückgewiesen zugleich.
Flint glitt über die Couch, stand auf und ging zur Tür, darum bemüht, seine Bewegungsabläufe so zu gestalten, dass sie nicht nach der Flucht aussahen, die sie waren.
»Ich werde dich nicht wieder um Rat bitten, Paloma«, sagte er darauf bedacht, seinen Gefühlen den Weg in seine Stimme zu verwehren. »Wenn ich das nächste Mal herkomme, werde ich dafür sorgen, dass sich das Gespräch nur auf die Vorzüge von Sonnentee beschränkt und auf die Art, wie ein Ausblick wie dieser einen Menschen verderben kann.«
Sie sah ihn nicht an. »Ich bin die meiste Zeit meines Lebens allein gewesen, Miles. Es ist zu spät, diese Gewohnheit zu ändern.«
»Und doch willst du, dass ich die gleiche Wahl treffe.«
»Das hast du längst getan«, entgegnete sie, »als du dich entschlossen hast, Lokalisierungsspezialist zu werden.«
Flint nickte, seufzte und wünschte sich, er wäre nicht hergekommen. Er fühlte sich weniger zuversichtlich und noch verwirrter als vor seinem Besuch.
»Sei vorsichtig mit den Wagners«, sagte Paloma. »Achte darauf, dass sie deine Regeln kennen.«
Sie nahm also an, dass er den Fall übernehmen würde. Und vermutlich würde sie Recht damit behalten. Vermutlich hatte er sich bereits entschlossen, den Fall zu übernehmen, als er mit Ignatius Wagner gesprochen hatte.
»Danke«, sagte Flint, obwohl er nicht sicher war, ob er es auch so meinte. Dann verließ er das Appartement und fühlte sich einsam und, seltsamerweise, frei.
8
E rmordet?«, fragte van der Ketting. »Ist das nicht ein ziemlich langer Weg von einer abgelegten Leiche bis zum Mord?«
DeRicci sah ihn an. Er wirkte klein; sein Schatten reckte sich in Richtung des Felsens. Die gegabelten Wege breiteten sich hinter ihm ans und beschrieben einen weiten Rogen, um das größte Hindernis in der ganzen Umgebung zu umgehen. DeRicci konnte kaum die Sanitäter sehen, die um das Ambulanzfahrzeug spazierten, während sie warteten.
»Erzählen Sie mir mal, warum jemand eine Leiche hier platzieren sollte, wenn eine natürliche Todesursache vorläge«, forderte DeRicci ihn auf.
»Vielleicht ist sie gleich nach dem Start des Rennens gestorben«, meinte van der Ketting. »Vielleicht wollten die Veranstalter nicht, dass die Zuschauer etwas davon merken, und darum haben sie sie hierher gebracht. Später hätten sie dann sagen können, sie wäre mitten im Rennen gestorben.«
»Hierher statt ins medizinische Versorgungszelt?« DeRicci schüttelte den Kopf. »Es wäre doch viel einfacher gewesen, sie ins Zelt zu schaffen.«
»Aber sie sind verpflichtet, eine Leiche dort zu lassen, wo sie gefunden wurde, und sie hätten eine Leiche nicht einfach in der Nähe des Starts liegen lassen können, während sie auf uns gewartet haben«, wandte van der Ketting ein.
»Das hätten sie auch nicht getan«, entgegnete DeRicci. »Sie hätten uns erzählt, dass sie geglaubt hätten, sie wäre noch am Leben und darum hätten sie sie ins Zelt gebracht.«
»Ist das die Grundlage für Ihre Mordtheorie?«, fragte van der Ketting.
DeRicci schüttelte den Kopf. »Dafür gibt es eine
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