Miles Flint 03 - Die Tödlichen
hatten, exakt das, wofür die Medien sie verdammten.
Die verlängerten Arme. Finger wie Messerklingen. Ein Körper als Waffe, potenter als irgendeine andere. Eine Waffe, die jedes Detektionssystem der Allianz überlisten konnte. Eine, die tödlich war, weil sie so unschuldig daherkam.
Die Allianz hatte Anatolya bloßgestellt, obwohl man ihr Anonymität in Armstrong zugesichert hatte. Sie hatten diesen Angriff zugelassen; sie hatten zugelassen, dass Anatolya ihre Leute verloren hatte.
Und Anatolya würde dafür sorgen, dass die Allianz in passender Weise ihr Gesicht verlieren würde. Sie würde dafür sorgen, dass all die Leute, die von der »Schlächterin von Etae« gehört hatten, auch erfahren würden, dass die Allianz – die unverdorbene, reine Allianz – ihre Kriegstechnologie als Preis dafür forderte, Etae in den Club aufzunehmen.
Anatolya wusste, wie dieses Spiel funktionierte. Sie hatte es bisher nur nicht spielen wollen.
Aber die Allianz ließ ihr keine Wahl.
44
N oelle DeRicci brauchte Kaffee.
Sie stolperte aus ihrem Büro zum gemeinsamen Essbereich. Der Kaffee in der Kanne war mindestens einen Tag alt, dick wie Klärschlamm und mit einem Film überzogen. Aber er war heiß, und er enthielt Koffein.
Irgendein netter Mensch hatte Krapfen spendiert – denen DeRicci schon vor einem Jahr abgeschworen hatte, aber in diesem Moment kamen sie ihr äußerst gelegen. Sie nahm sich einen mit Zuckerguss nebst einer Serviette in der Absicht, in ihr Büro zurückzugehen, doch der Krapfen war weg, ehe sie sich auch nur umgedreht hatte, und die buttrige Süße lag herrlich auf ihrer Zunge.
DeRicci hatte gar nicht bemerkt, wie hungrig sie war; seit ihrer letzten Mahlzeit waren mehr als zwölf Stunden vergangen.
Nach dem Treffen mit Paloma war sie in ihr Büro zurückgekehrt und hatte sich selbst in eine systematische Ermittlung gestürzt. Sie war lange geblieben und hatte auf eine Weise das Computersystem erforscht, die sie sich nie hätte träumen lassen. Endlich, gegen ein Uhr morgens, hatte sie einen der Computerspezialisten unter den Technikern zu Hilfe gerufen.
Sollte Flint unschuldig sein, so hatte sich DeRicci auf dem Rückweg überlegt, dann hatte er vermutlich etwas für sie hinterlassen – eine Botschaft, etwas Verschlüsseltes, etwas, das ihr gestatten würde zu glauben, dass er nichts mit den Morden zu tun hatte.
Vielleicht nur eine Kleinigkeit.
In ihrem eigenen System hatte sie nichts gefunden, und der Techniker hatte auch nichts entdecken können. Er war in sein Büro zurückgekehrt, und DeRicci hatte ihre Suche entmutigt fortgesetzt.
Dann hatte der Techniker sie über den Departmentlink gerufen und ihr erzählt, dass er eine Notiz gefunden habe, die den Eindruck eines internen Memos erwecke, aber all seine Kollegen bestritten, sie verfasst zu haben. Angehängt war eine Version des Überwachungsvideos aus dem Gebäude, eine demontierte Version.
Der Techniker demontierte seine eigene Version des Überwachungsvideos und stellte fest, dass die Informationen in dem Memo korrekt waren.
Für DeRicci hörte sich das alles höchst geheimnisvoll an; also schickte der Techniker ihr das Video.
»Sie werden es ein paarmal ansehen müssen, um zu verstehen, worum es geht«, warnte er sie.
DeRicci lud also das gleiche verdammte Video in ihr System, das sie schon gesehen hatte – das, das Flint oder seinen Doppelgänger zeigte, wie er, ganz in Schwarz, zur Wohnung der Lahiris ging. Sie sah es sich wieder und wieder an, bis ihre Augen müde wurden. Schließlich übertrug sie die Bilder auf ihren Wandschirm, und dann sah sie es – die Erschütterung, ganz am Anfang, die Veränderung bei der Aufzugtür, die bei einer kontinuierlichen Aufnahme nicht hätte entstanden sein dürfen und so ziemlich deutlich zeigte, dass das Video manipuliert worden war.
Und dann war alles, was sie gesehen hatte, nur eine Fälschung.
Womit Flints Verwicklung in den Mordfall zumindest fragwürdig geworden wäre.
Jemand wollte ihn aus dem Weg räumen.
Das weckte nun umso mehr ihre Aufmerksamkeit und brachte sie dazu, sich Gedanken über die Sicherheit im Gebäude der Lahiris zu machen. Wenn die Sicherheitsmaßnahmen im Gebäude wirklich so ausgereift waren, wie kam es dann, dass die Lahiris selbst offenbar kein gutes Sicherheitssystem gehabt hatten?
Die nächsten fünf Stunden hatte DeRicci damit zugebracht, alle von den Lahiris heruntergeladenen und im System des Departments gespeicherten Dateien zu durchsuchen, in
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