Miles Flint 03 - Die Tödlichen
vor.
So wie jetzt sähe die Stadt jedenfalls nicht aus.
Sie würde vielleicht gar nicht mehr existieren.
Wie die Dinge lagen, waren die meisten Schäden bei den Erschütterungen entstanden, die durch die herabfallenden Trennwände ausgelöst worden waren. Die Wände waren dick und schwer und in den älteren Abschnitten außerdem undurchsichtig. Die ganze Kuppel war binnen weniger Minuten in einzelne Sektionen unterteilt worden.
Ein paar Leute waren umgekommen, als die Wände sie getroffen hatten, eine Vorstellung, die Soseki bestimmt nicht in seinem Kopf haben wollte, die sich aber auch nicht mehr vertreiben ließ.
Soseki sank auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch, der ihm immer noch vorkam wie der sicherste Ort in der ganzen Stadt. Es würde nicht reichen, den Leuten zusagen, sie sollten nicht in Panik geraten. Er würde ihnen erklären müssen, dass er die Fehlerquellen finden und abstellen würde. Er würde sich optimistisch und zuversichtlich zeigen müssen, würde ihnen sagen müssen, dies sei ein Alarmsignal gewesen. Wären sie tatsächlich von außen angegriffen worden, hätten sie vielleicht nicht überlebt.
Aber nun, da sie wussten, dass etliche Systeme Fehlfunktionen aufwiesen, würden all diese Systeme aufgerüstet werden.
Etwas war explodiert. Jemand hatte in einem dieser schicken Restaurants das Falsche angezündet, und die Kuppel war beschädigt worden. Von innen. Die Kuppel war darauf ausgelegt, Problemen standzuhalten, die von außen auf sie zukamen. All diese Meteore, groß und klein, die ständig auf der Oberfläche des Mondes aufschlugen, konnten der Kuppel keinen Schaden zufügen, weil die Ingenieure sie dagegen gesichert hatten.
Nun würden sie ihre ursprüngliche Planung verbessern und dafür sorgen müssen, dass so etwas nie wieder geschehen konnte.
Soseki atmete tief durch. Dass er diese Entscheidung hatte treffen können, tat ihm gut. Er wünschte, Londran wäre bei ihm, um ihm die Idee auszureden, aber Soseki hatte das Gefühl, Londran wäre ganz seiner Meinung.
Eine von Londrans Mitarbeiterinnen, eine Frau, die erst vor ein paar Wochen eingestellt worden war, trat vor seinen Schreibtisch.
»Sir«, sagte sie, »da ist etwas, das Sie sich ansehen sollten.«
Es gab einen ganzen Haufen Dinge, die er sich ansehen sollte, vermutlich sehr viel mehr, als irgendein Neuling sich vorstellen konnte, aber er würde ihr den Gefällen tun. Diese Krise fiel in seine Amtszeit, und er würde mit ihr fertig werden müssen, und zwar besser als mit den Etaern.
Ein paar Leute hatten ihm bereits vorgeworfen, er hätte den Aufruhr ausgelöst, obwohl er nur versucht hatte, seine Stadt zu schützen. Er und Londran hatten sich bereits einige Strategien zu seiner Verteidigung überlegt.
Die Ironie dabei war, dass er diese Verteidigung nun vermutlich gar nicht mehr brauchen würde.
»Sir?«, sagte die Frau erneut.
»Jaja«, sagte Soseki, »ich habe Sie gehört.«
Sie legte einen Handheld vor ihm auf den Schreibtisch. »Die öffentlichen Links werden gerade wieder aktiviert. Das hier wurde wenige Minuten nach der Explosion über öffentliche Links geschickt, aber wir erhalten nur Kopien der Nachricht. In diesem Teil des Gebäudes funktionieren die Links noch nicht, doch ich dachte, Sie würden das trotzdem sehen wollen.«
Soseki griff nach dem Handheld und stierte auf den winzigen Bildschirm. Die Botschaft bestand aus Text, hinter dem ein Symbol zu sehen war, mit dem er nichts anfangen konnte.
Umso mehr konnte er mit den Worten anfangen.
Diese Bombe ist für Etae !
Bombe. Etae.
Soseki schloss die Augen. Er hatte also doch recht behalten, und die Generalgouverneurin hatte sich geirrt. Sie hatte die Terroristen in seine Stadt gelassen, und die hatten die Stadt beinahe zerstört.
»Sir?«, fragte die Frau wieder. Soseki hätte sie am liebsten angefaucht, hielt sich aber zurück.
Stattdessen schlug er die Augen auf. Die Frau stierte ihn an, und ihr schmales Gesicht war spitz vor Sorge.
»Versuchen Sie herauszufinden, wo das herkommt«, befahl er.
Sie nickte und machte Anstalten zu gehen, doch dann hielt sie inne.
»Sir?«, sagte sie nun zum vierten Mal, »denken Sie, sie werden es wieder tun?«
»Was?«, schnappte Soseki inzwischen verärgert, weil sie ihn einfach nicht in Ruhe lassen wollte.
»Eine Bombe zünden«, flüsterte sie.
Daran hatte er nicht gedacht. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht.
»Ich hoffe nicht«, antwortete er.
Dann, als er das Entsetzen in ihrem Gesicht
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