Miles Flint 03 - Die Tödlichen
…«
»Ich habe nicht das Leben gelebt, das du dir zurechtfantasierst, Mom.« Während ihre Mutter ihre Hand fest umklammert hielt, waren Carolyns Finger noch immer geöffnet.
Flint lehnte sich ans Fenster und wandte sich wieder der Familie zu.
»Ich weiß, das alles ist nicht einfach und auch nicht in jeder Hinsicht angenehm.« Dr. Lahiri ließ ihre Tochter nicht los.
»Aber wir haben jetzt eine Chance, gegenseitig einiges wiedergutzumachen.«
Dr. Lahiri sah sich zu ihrem Mann um, doch der wich ihrem Blick aus.
Flints Blick ruhte derweil auf Carolyn. Sie wirkte teilnahmslos, als hätte die angespannte Frau gar nicht existiert, die er vor wenigen Augenblicken erlebt hatte.
»Es ist so viel falsch gelaufen«, sagte Dr. Lahiri. »So viel, das wir wieder in Ordnung bringen können. Ich glaube, wenn wir es nur versuchen …«
»Ich bin nicht Calbert«, schnappte Carolyn. Calbert war ihr toter Bruder. »Ich bin gegangen, als ich achtzehn war. Ihr hattet beinahe keinen Einfluss auf mich. Für seinen Selbstmord seid ihr vielleicht verantwortlich, aber nicht für mein Leben. Da gibt es nicht viel, was ihr in Ordnung bringen könntet.«
»Da bin ich anderer Ansicht.« Endlich beteiligte sich auch der Richter an dem Gespräch. »Du wärest nie nach Etae gegangen, wenn wir nicht gewesen wären.«
»Glaub, was du willst, Daddy«, sagte Carolyn. »Aber wie viel Einfluss du auch haben magst, du kannst die Vergangenheit nicht ändern.«
Ihre Worte hingen in der Luft, und Flint fühlte die Anspannung in seinem eigenen Nacken, als hätte Carolyn all ihre Ängste auf ihn übertragen.
Die Lahiris starrten einander an. Das Gespräch war schon so gut wie vorbei, ehe es wirklich angefangen hatte.
Flint stieß einen leisen Seufzer aus. Er würde wohl doch noch eingreifen müssen, wenn auch nicht in der Form, die er im Sinn gehabt hatte. Er würde Carolyn ein Zimmer besorgen und ihr Hilfe für einen Neuanfang anbieten müssen, da sie offensichtlich mit ihrer Familie nichts zu tun haben wollte.
Der Richter musste Flints Seufzer gehört haben, denn der ältere Mann drehte sich zu ihm um. Seine Augen blickten hartherzig und nicht im mindesten geschlagen.
»Sie können jetzt gehen«, sagte Richter Lahiri. »Schicken Sie uns Ihre Abschlussrechnung, und wir werden sie begleichen, wie wir es bisher auch getan haben. Aber ihre Dienste werden hier nicht mehr benötigt.«
»Ich bleibe, bis dieses Treffen beendet ist«, entgegnete Flint.
»Das ist eine Privatangelegenheit.« Dr. Lahiri sah ihn über die Schulter ihres Mannes hinweg an. »Bitte, Mr Flint. Sie waren bisher wirklich gut zu uns, und jetzt ist Carolyn hier, und wir sind Ihnen dankbar. Aber dieses Gespräch würden wir gern allein führen.«
»Davon bin ich überzeugt«, erwiderte Flint.
»Also dann«, sagte der Richter. »Sie sind entlassen.«
»Vielleicht haben Sie ja den Vertrag vergessen, den Sie unterzeichnet haben.« Flint ließ seine Klienten nach der Voruntersuchung, wenn die Entscheidung, einen Fall zu übernehmen, gefallen war, stets eine gesonderte Vereinbarung unterzeichnen. »Ich bleibe beim ersten Zusammentreffen dabei. Das ist nicht zu ändern.«
»Miles«, sagte Carolyn, »es ist in Ordnung. Ich komme schon zurecht.«
Flint zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie unter sich sein wollen, müssen Sie woanders hingehen. In diesem Raum kann ich Sie nicht allein lassen.«
Und selbst wenn er könnte, würde er es nicht tun. Flint hatte seine Ausrüstung hier, und Carolyn wusste davon, wenn auch nur zum Teil.
Sie nickte. Der Richter kniff die Augen zusammen, als wäre Flint ein Antragsteller, der nicht verstehen wollte, dass sein Fall abgeschlossen war. Die Ärztin blickte stumm zu Boden.
»Carolyn«, sagte Richter Lahiri. »Würdest du mit uns nach Hause kommen, damit wir dort weiterreden können? Wir besorgen dir eine Unterkunft und werden dir helfen, in das Leben in Armstrong zurückzukehren. Und selbst, wenn du nichts mehr mit uns zu tun haben willst, werden wir dafür sorgen, dass du ein Auskommen hast.«
»Ich konnte meine eigenen Mittel mitbringen.« Carolyns Stimme klang matt. »Ich wurde begnadigt, schon vergessen? Ich muss mich nicht länger verstecken.«
»Schön«, sagte der Richter. »Ich wollte nur …«
»Bitte«, sagte Dr. Lahiri. Flint wusste nicht, ob sie sich an ihre Tochter oder ihren Mann wandte. »Das müssen wir doch nicht hier oder auch nur in der nächsten Viertelstunde klären. Wir haben genug zu besprechen, dass es für ein
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