Miles Flint 03 - Die Tödlichen
der Docks war DeRicci einige Male auf Schallisolationen gestoßen, und sie hatten sie jedes Mal verblüfft. Warum lebte man in einer Stadt, wenn man all ihre Geräusche ausschließen wollte? Diesen Teil der menschlichen Natur hatte sie noch nie verstanden.
Auch gab es in der Wohnung keine internen Geräusche.
Die Sülle war so allumfassend, dass DeRicci jede Unregelmäßigkeit ihres eigenen Atems überdeutlich hörte. Sie hielt die Luft an und nahm nur noch ein leises Summen und das kaum wahrnehmbare Pochen ihres Herzens wahr.
DeRicci schlug die Augen auf und senkte endlich den Blick auf die Leichen. Sie waren auf interessante, unerwartete Art gefallen. Keine von ihnen befand sich in der Nähe der Möbel, was bedeutete, dass sie zum Zeitpunkt ihres Todes mitten im Zimmer gestanden hatten.
Der Mann lag DeRicci am nächsten. Er war schon älter und hatte nur eine Wunde in der Körpermitte, die ihn mit einem Loch anstelle eines Brustkorbs zurückgelassen hatte. Seine Hände schien er zurückgerissen zu haben. Die Handflächen zeigten direkt neben seinem Kopf offen nach oben; die Finger waren gekrümmt.
Seine Augen waren offen und trübe, was wie der Geruch darauf schließen ließ, dass die Leichen erst einige Zeit nach Eintritt des Todes entdeckt worden waren.
Eine der Frauen lag direkt neben ihm. Sie war ebenfalls schon älter und sah aus, als hätte sie keinerlei Manipulation ihres Aussehens vornehmen lassen. Sie lag auf der Seite, einen Arm ausgestreckt, die Füße widernatürlich nach hinten gebogen. Auch ihre Wunde befand sich mitten im Körper und gab groß und offen den Blick auf einige Rippen frei.
Einer ihrer Füße war auf dem Haar der dritten Leiche gelandet. Dieses Haar hatte einen silbrigbraunen Farbton und glänzte, scheinbar unberührt von Blut, auch wenn DeRicci genau wusste, dass das unmöglich war. Sie konnte die Blutspritzer von ihrer Position aus nur nicht erkennen.
Das Haar gehörte zu einer Frau – das konnte DeRicci schon an dem relativ unveränderten Körper erkennen, wie auch an den Kleidern und Beinen, aber ganz sicher nicht am Gesicht.
Ihr Gesicht war nämlich nicht mehr da.
Die Wunde kam DeRicci größer vor als die der beiden anderen Opfer; daher nahm sie an, dass es sich um eine Austrittswunde handeln könnte. Ohne die Leichen genauer zu untersuchen, konnte sie das jedoch nicht mit Sicherheit sagen, und ehe sie das tat, wollte sie Cabrera und sein aufgeblasenes kleines Team wieder hereinrufen, damit sie mit ansehen konnten, wie sie die aktive Untersuchung der Leichen vornahm.
Zuerst aber schaltete DeRicci die Links wieder ein und lud die Informationen herunter, die Gumiela ihr gegeben hatte.
Die Wohnung gehörte Richter Caleb Lahiri und seiner Frau, Dr. Mimi Lahiri. Ihr einziger Sohn, Calbert Lahiri, hatte vor über einem Jahr Selbstmord begangen. Sie hatten eine Tochter, Carolyn Lahiri, die kürzlich von der Regierung von Etae als Kriegsverbrecherin begnadigt worden war. Sie wurde als Verschwundene geführt.
Zwei der Leichen, so mutmaßte Gumiela, waren zu Lebzeiten die Lahiris gewesen; wer das dritte Opfer war, wusste jedoch noch niemand. Noch bevor DeRicci Bilder der Lahiris heruntergeladen hatte, war ihr klar, dass die Lahiris das ältere Paar unter den Opfern waren.
Die Person ohne Gesicht war die Einzige, deren Identität ihr nicht bekannt war. Hatte jemand gewollt, dass es dabei blieb? Falls dem so war, dann wusste der Täter jedoch auch zweifellos, dass die DNA des Opfers die Antwort liefern würde.
DeRicci starrte alle drei Opfer einen endlosen Moment lang intensiv an. Die Leichen waren allem Anschein nach nicht bewegt worden, und sie lagen nicht in einer Position, die einen rituellen Tathintergrund vermuten ließ, wie es bei einem Disty-Rachemord oder einem Guine-Todesritual der Fall gewesen wäre.
Manchmal konnte DeRicci allein aus der Position der Opfer lesen, was an einem Tatort vorgefallen war – die Leiche eines Elternteils, die die eines Kindes umfasste, eine Leiche, bedeckt mit dem Blut einer anderen.
Aber hier gab es so viel Blut – Rinnsale und Pfützen und alles im Stadium der Gerinnung –, dass DeRicci unmöglich sagen konnte, welche Blutspur zu welchem Opfer gehörte. Und die Wunden waren so groß und grausam, dass die Spritzer ihr in diesem Punkt auch nicht weiterhelfen konnten – jedenfalls nicht, bevor der Gerichtsmediziner die entsprechenden Untersuchungen durchgeführt hatte.
Die Position der Leichen verriet ihr nicht einmal, wer zuerst
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