Miles Flint 03 - Die Tödlichen
wollte, wie man hineingelangte, ohne die Vordertür zu benutzen. Diesen Vorteil würde er ihr nicht verschaffen, vor allem nicht, wenn er die gewünschten Informationen auch mit etwas Geduld bekommen konnte und wenn er zur Vordertür hineinging.
Als er die Straße hinunterging, fühlte er sich ein wenig schwerfällig und wünschte, er hätte nicht beide Hälften des Sandwichs gegessen, das er in einem Lebensmittelladen in der Nachbarschaft gekauft hatte.
Aus einigen Metern Entfernung deaktivierte er das Hauptschloss der Tür und schaltete das Sicherheitssystem auf Bereitschaft um. Er wollte die Frau auch nicht sehen lassen, wie er das machte. Das System führte die Befehle geräuschlos aus; also konnte sie nicht wissen, was er getan hatte.
Einen Meter vor ihr blieb er stehen. »Kann ich Ihnen helfen?«
Sie rührte sich nicht. Für einen Moment fragte er sich, ob sie tot war, doch er widerstand der Versuchung, näher heranzutreten und sie mit dem Fuß anzustupsen.
»Miss«, sagte er. »Ist alles mit Ihnen in Ordnung?«
Dieses Mal hatte er offenbar laut genug gesprochen, dass sie ihn hören konnte, oder sie hatte sich überlegt, dass sie zumindest so tun sollte, als sei sie wach. Aber wie auch immer … sie schob ihren Hut mit dem ausgestreckten Finger zurück.
Ihr Gesicht kam Flint bekannt vor, ein wenig eckig mit dunkler Haut und beinahe mandelförmigen, schräg gestellten Augen. Ihre Nase war breit und mit zarten schlangenartigen Linien kunstvoll tätowiert. Alles in allem sah sie ein wenig merkwürdig, aber recht anziehend aus.
Sie lächelte ihn an – eine Reaktion, mit der er nicht gerechnet hatte.
»Miles Flint«, sagte sie.
So sehr im Nachteil hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit er Lokalisierungsspezialist geworden war. Es war ein merkwürdiges Gefühl, nicht zu wissen, mit wem er sprach. »Kennen wir uns?«
Die Frau schüttelte den Kopf, wischte sich die Hände an der braunen Hose ab und erhob sich. »Ich bin Ki Bowles. Ich arbeite für InterDome Media.«
InterDome Media, der größte gemischte Medienkonzern des ganzen Monds. InterDome hatte sich darauf spezialisiert, Informationsprogramme für jedes in Kuppeln gebräuchliche Medium zu liefern, von Videos über Netztext bis hin zu Links.
»Als was?«, fragte Flint.
Ki Bowles’ Brauen ruckten hoch, und sie lächelte wieder. Das Lächeln war warm und aufrichtig – ein Umstand, der sie anscheinend noch mehr überraschte als ihn. »Das wissen Sie wirklich nicht? Ich dachte, Sie wissen alles.«
»Ich kann einen Link öffnen und vorgeben, ich wüsste alles«, sagte er. »Oder wir unterhalten uns, so wie es die Leute getan haben, bevor sie sich alles heruntergeladen haben.«
»Hm.« Ihre Augen funkelten. Sie war definitiv anziehend. »Sie sind ganz schön bissig.«
Bissiger, als sie es sich vorstellen konnte, vor allem, wenn jemand Spielchen mit ihm treiben wollte.
»Ich habe Ihnen eine Frage gestellt.«
»Eine, die mir seit beinahe zehn Jahren niemand mehr gestellt hat, und es ist wirklich erfrischend, sie mal wieder zu hören.« Sie nahm den Hut ab und schüttelte ihr Haar aus. Es war silbern, schwarz und purpurfarben gesträhnt, und ihre Locken sahen so perfekt aus, dass Flint ihre Echtheit bezweifelte.
Das Haar löste das Rätsel. Sie kam ihm bekannt vor, weil er sie in diversen Videos gesehen hatte. Aber er hatte nicht die Absicht, ihr zu zeigen, dass er sie nun doch endlich erkannt hatte.
Ihr Lächeln verblasste allmählich. »Ich arbeite als investigative Journalistin für InterDome. Ich habe eine eigene Show, aber sie wird nur einmal in der Woche übertragen. Jedenfalls liefere ich täglich Reportagen ab, und ich erledige die Arbeit selbst.«
Als wäre das so ungewöhnlich. Aber vielleicht war das für einen Enthüllungsjournalisten tatsächlich etwas Besonderes. Für Lokalisierungsspezialisten war es das ganz eindeutig nicht.
»Und Sie dachten, ich hätte genug Zeit, mir Videos anzusehen?«
Bowles zuckte mit den Schultern. »Ich habe gehört, dass Lokalisierungsspezialisten – wenn sie gut sind – nicht viel arbeiten.«
Das war durchaus richtig, aber Flint hatte nicht vor, etwas dazu zu sagen. Soweit er es derzeit beurteilen konnte, wurde er vermutlich gefilmt, und das gefiel ihm nicht.
»Sie blockieren die Tür zu meinem Büro«, sagte er.
»Oh.« Sie trat zur Seite. »Das war nicht meine Absicht.«
Flint betrat den kurzen Weg, den irgendjemand vor Jahrzehnten angelegt hatte, und öffnete die Bürotür. Als Bowles
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