Miles Flint 03 - Die Tödlichen
Etae’schen Sprachen. Ganz gleich, in welchem Teil des Universums sie sich aufhielt, sie sollte sich stets zurechtfinden können.
Endlich erreichten sie eine Doppelflügeltür. Die Polizistin blieb stehen, als wäre es ihr nicht gestattet hindurchzugehen. Die Tür glitt geräuschlos auf und empfing Anatolya mit einem Schwall kühler Luft. Diese Luft war angefüllt mit den Aromen von Parfüm, Schweiß und einer Art kühlendem Entspannungsduft, welcher der Mischung beigefügt worden war, um Beklemmungsgefühlen entgegenzuwirken.
Der Bereich, den sie nun betrat, war ein Wartesaal, besetzt von Angehörigen der unterschiedlichsten Rassen und Spezies.
Ein Mensch, männlich, unbestimmbares Alter, erhob sich, als er sie sah. Er hatte silbriges Haar, zweifellos künstlich, und ein schmales Gesicht – die Art von Gesicht, die innerhalb der Allianz als vertrauenswürdig empfunden wurde. Seine Augen strahlten in einem Silberblau, das perfekt zu seinen Haaren passte, und seine Haut war fahl, beinahe orangebraun. Er trug eine lange schwarze Tunika mit Stickereien an den Säumen über einer schwarzen Hose, und als er auf Anatolya zukam, streckte er ihr beide Hände entgegen.
»Ms Döbryn?«, fragte er mit einer samtenen, warmen Stimme. Er sprach Alkan, die Hauptsprache ihres Volkes. »Ich bin Gideon Collier. Ich wurde Ihnen zugewiesen.«
»Meine Polizeieskorte?«, fragte sie auf Englisch.
Überrascht zog er seine seltsam silbrigen Augenbrauen hoch. Offenbar hatte er nicht gewusst, dass sie diese Sprache beherrschte.
»Nein«, antwortete er auf Alkan. »Nichts dergleichen. Ich bin Ihr Führer und Majordomus. Soweit ich informiert bin, waren Sie noch nie so tief im Raum der Allianz, und ich bin hier, um Ihnen bei Problemen mit den hiesigen Bräuchen oder der Sprache zu helfen – obwohl sie diese Hilfe offenbar nicht benötigen – und Ihnen im Bedarfsfall jederzeit zur Seite zu stehen.«
»Beispielsweise, wenn ich während des größten Teils des Nachmittags in einer Dekontaminationskammer gefangen bin.« Anatolya sprach noch immer Englisch. Die lange Zeit in der Dekoneinheit hatte ihren Eigensinn geweckt.
»Das tut uns allen sehr leid«, sagte Collier. »In Armstrong reagiert man derzeit recht phobisch auf alles, was in die Kuppel eindringen könnte. Darauf hätten wir Sie vorbereiten sollen.«
Anatolya bedachte ihn mit einem eisigen Blick. »Hätten Sie mich um Erlaubnis gebeten, nach Biowaffen zu suchen, hätte ich sie Ihnen erteilt.«
Die Menge im Wartesaal drehte sich geschlossen zu ihr um, und in allen Gesichtern zeigte sich blankes Entsetzen. Collier trat vor sie, als könne er sie so vor den Blicken der anderen Leute verbergen.
»Das ist wirklich nicht der richtige Ort, um über Biowaffen zu diskutieren«, mahnte Collier auf Alkan. Seine Stimme war kaum noch zu hören.
»Warum nicht?«, fragte Anatolya in der gleichen Sprache. Allmählich kam sie sich kindisch vor, da sie nur auf Englisch beharrt hatte, weil sie verärgert gewesen war. »Ich dachte, Ihre Leute wären so stolz auf ihre Offenheit.«
»Auch Offenheit hat ihre Grenzen«, erwiderte Collier.
Dieses Mal unterdrückte Anatolya ihre wahre Reaktion nicht, und ein leichtes Stirnrunzeln erschien auf ihrem Gesicht. »Aber eines der Markenzeichen der Erdallianz ist die Redefreiheit, die Bereitschaft, neue Kulturen und Ideen offenherzig anzunehmen, die Bereitschaft zur Toleranz …«
»Am Hafen neigen wir zur Vorsicht«, sagte Collier. »Man weiß nie, wer zuhört.«
Anatolya lief ein Schauder über den Rücken, der zum ersten Mal nichts mit der allgegenwärtigen Kälte zu tun hatte.
»Die Unterschiede werden Sie mir erklären müssen«, sagte Anatolya zu Collier.
Er wollte ihr gerade noch einmal sagen, dass er an diesem Ort keine derartigen Gespräche führen könne, als sie die Hand hob.
»Natürlich erst, wenn wir hier weg sind«, sagte sie.
Er sah erleichtert aus.
Anatolya schenkte ihm ein missgünstiges Lächeln, ehe sie die Wände betrachtete und sich bemühte, die diversen Hinweise zu entziffern, die in ständig wechselnden Sprachen angezeigt wurden. Sie fand nichts, was zum Schweigen aufgefordert hätte. Andererseits hatte sie auch noch nicht die ganze Hinweisserie gesehen.
»In wenigen Stunden wird ein Empfang stattfinden«, sagte Collier. »Ich soll Sie hinführen, vorausgesetzt, Sie sind nicht zu müde, um daran teilzunehmen.«
Anatolya war müde, aber das war die Erschöpfung einer Frau, die eine weite Reise mit einem Ziel hinter sich
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