Miles Flint 04 - Das Marsgrab
als er zum diplomatischen Korps gestoßen war. Und als man ihm erklärt hatte, dass das bei einer Vielzahl von Spezies, nicht nur bei den Menschen, Probleme aufwerfen würde, wollte er sich immer noch nicht fügen. Erst, als innerhalb der Allianz eine beachtliche Mehrheit gegen seine Ernennung Protest einlegte, offenbarte er, was er als vertrauliche Information betrachtete.
Die Disty waren unglaublich verschlossen in Hinblick auf persönliche Dinge. Das war einer der Gründe, warum mit ihnen so schwer umzugehen war. Der Vertrag zwischen der Erdallianz und der Universalregierung der Disty schrieb sogar vor, dass die Disty nicht aufgefordert werden sollten, ihre Namen zu nennen. Namen waren auf Amoma, der Heimatwelt der Disty, eine Art Währung. Sie so beiläufig zu verbreiten, wie es bei vielen Spezies der Fall war, verletzte die Disty so sehr, dass sie der Ansicht waren, auf die Teilnahme an den meisten interstellaren Veranstaltungen verzichten zu müssen.
Endlich hatte ein früherer Protokollchef eine Lösung präsentiert. Auf interstellarer Ebene hatten die Disty sich Nummern zu geben. Sie wählten die Nummer selbst aus, und diese Nummer durfte aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht noch einmal vergeben werden.
Was manche Angehörige der Allianz verwirrt hatte, war, dass die Disty mit hohen Zahlen begonnen hatten – der erste Delegierte in der Allianz hatte sich Nummer Dreihundert genannt – und sich von da aus langsam nach unten arbeiteten, bis hin zu Nummer Sechsundfünfzig. Manche glaubten, die Disty würden die Allianz verlassen, wenn sie bei Null angelangt wären.
»Sonst noch was, das ich wissen sollte?«, fragte Ogden.
»In meiner Gegenwart macht niemand den Mund auf«, sagte Sorenson. »Ich habe sie nur durch die Tür schreien hören, und ich habe Nummer Sechsundfünfzig gesehen, als er hineingegangen ist. Die Längsfurchen an seinem Rücken waren grau.«
Ogden erstarrte. Disty zeigten ihre Emotionen auf vielschichtige Art, meist so, dass gewöhnliche Menschen sie nicht wahrnehmen konnten. Wenn die Emotionen aber sichtbar wurden, musste man davon ausgehen, dass sie außer Kontrolle waren. Die Rückenfurchen funktionierten ähnlich wie menschliche Gesichter – sie wurden weiß, farblos oder grau, je nachdem, welcher Subspezies der jeweilige Disty angehörte.
Dass Nummer Sechsundfünfzig derart die Beherrschung verloren hatte, besonders, nachdem er darin ausgebildet war, auch und gerade in Gegenwart fremder Spezies die Kontrolle zu behalten, war ein sehr schlechtes Zeichen.
»Ich werde das Team brauchen«, meinte Ogden. »Außerdem möchte ich, dass Sie die Disty-Experten kontaktieren und dafür sorgen, dass sie mir die Krise aus ihrer Sicht schildern! Legen Sie mir die Informationen auf meinen subvokalen Privatlink! Ich werde keine Möglichkeit haben, etwas zu lesen oder eine Videoaufzeichnung zu verfolgen. Ich werde auf jede Bewegung achten müssen.«
Sorenson nickte. »Möchten Sie noch andere Assistenten dabeihaben?«
»Ich will alle bis hin zum neuesten Praktikanten«, bestimmte Ogden. »Wenn Nummer Sechsundfünfzig wütend ist, haben wir es mit einer sehr ernsten Krise zu tun. Ich will alle Werkzeuge in Griffweite haben, ehe ich zu tief bohre.«
»Wird erledigt.« Sorenson ging zur Tür und legte die Hand um den langen Metallgriff. »Bereit?«
»Nein«, erwiderte Ogden, »aber wann hat mich das schon aufgehalten?«
Sie nickte also. Er zog die Tür auf, und Ogden betrat den überhitzten Konferenzraum. Dieser Konferenzraum war der kleinste in der ganzen Anlage. Geschaffen mit Blick auf die Disty hatte er außerdem die niedrigste Decke.
Nummer Sechsundfünfzig saß auf dem Tisch aus hellem Holz, der exakt in der Mitte des Raumes stand, die langen Füße aneinandergepresst. Seine Leute standen hinter ihm, was einen Bruch im üblichen Protokoll darstellte.
Ogden hatte dergleichen noch nie erlebt.
Carly Ammer, die menschliche Delegierte des Mars, saß Nummer Sechsundfünfzig gegenüber. Sie war genetisch verändert worden, um den Disty so sehr zu ähneln, wie es nur menschenmöglich war. Ihre Beine und Füße waren überproportional lang, ihr Rumpf zu kurz, das Gesicht zu schmal, die Augen zu groß.
Auch sie hatte die Füße zusammengepresst, und ihre Hände hielt sie gefaltet in ihrem Schoß.
Hinter ihr hatten drei andere Menschen Position bezogen. Sie alle waren von höherem Rang als Ammer, aber keiner von ihnen war auf der gleichen Ebene wie Nummer Sechsundfünfzig. Aus diesem Grund
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