Miles Flint 05 - Paloma
sich bestechen ließ, würde ihm bestimmt nichts verraten.
Es sei denn, er erinnerte diese Person daran, dass Lokalisierungsspezialisten sich ständig in einer juristischen Grauzone bewegten.
Es sei denn, er fand eine Möglichkeit, diese Person seinerseits zu bestechen.
Flint schauderte. Er war im Begriff, eine Grenze zu übertreten, die er nicht übertreten wollte.
Er hatte das Gefühl, er würde noch viel mehr Grenzen übertreten müssen, ehe das alles vorbei war.
14
N yquist hatte soeben sein Büro verlassen, frustriert, nicht imstande, irgendwelche Informationen über Paloma zu finden, aber in dem Wissen, dass er sein Treffen mit DeRicci nicht länger aufschieben konnte.
Er würde wie der letzte Trottel dastehen. Normalerweise kümmerte ihn so etwas nicht – Dinge nicht zu wissen gehörte ebenso zur Ermittlungsarbeit wie Dinge zu wissen –, aber in diesem Fall war es ihm nicht egal. Er wollte die Frau beeindrucken, und er hatte das Gefühl, das würde ihm nie gelingen.
Als er die Schreibtische aus dem Mobiliar der First Unit der Detective Divison umrundete, sah er einen Mann zur Tür hereinkommen. Der Mann war klein, hatte schwarzes Haar und trug einen maßgeschneiderten Anzug, wie ihn nur die betuchteren Menschen in Armstrong trugen. Er sah sich einen Moment um, als wäre ihm alles auf dieser Etage fremd. Dann entdeckte er Nyquist.
Nyquist fluchte lautlos. Das Letzte, was er brauchte, war ein Zivilist auf der Suche nach einem weggelaufenen Hund. So, wie sich der Mann bewegte – den Kopf hoch erhoben, die Arme gelassen vor- und zurückschwingend, als bedeute die fremde Umgebung für ihn lediglich eine gewisse Unbequemlichkeit –, fürchtete Nyquist, er würde ihn nicht einfach abschütteln können.
Nyquist sah sich um, in der Hoffnung, dass jemand – irgendjemand – in der Nähe war. Aber da war niemand. Alle anderen arbeiteten an einem Fall oder hatten sich versteckt, als sie den Mann zur Tür hatten hereinkommen sehen.
»Detective Nyquist?«, fragte der Mann, als er auf ihn zukam.
Nyquist starrte ihn an. Er war diesem Mann noch nie zuvor begegnet. Das Department machte kein Geheimnis um seine Detectives, aber es verbreitete ihr Porträt auch nicht in der ganzen Stadt. Zudem war man stets darauf bedacht, ihnen so viel Privatsphäre wie möglich zu sichern, damit sie unbehelligt ihrer Arbeit nachgehen konnten. Dieser Mann musste sich wohl einige Mühe gemacht haben, wenn er Nyquist durch bloßen Augenschein identifizieren konnte.
»Kenne ich Sie?«, fragte Nyquist.
Der Mann streckte die Hand aus. Sie war lang und schmal, die Fingernägel sorgsam manikürt und mit einer Art Lack überzogen, der sie zum Glänzen brachte (oder, schlimmer, es war die Wirkung einer entsprechenden Modifikation). Nyquist wollte die Hand nicht ergreifen, wollte nicht höflich sein, aber er tat es.
»Ich bin Justinian Wagner«, sagte der Mann, als er Nyquist die Hand schüttelte. »Ich bin Anwalt hier in der Stadt.«
Nicht nur irgendein Anwalt, sondern einer der besten Anwälte in diesem Abschnitt der Galaxie. Es hieß, wenn man ein Problem hatte, das sich nicht lösen ließ, solle man zu Justinian Wagner gehen.
»Ich habe von Ihnen gehört«, sagte Nyquist.
Wagner lächelte. Seine Zähne waren eine Spur zu weiß. Seine Augen funkelten ebenfalls wie ein Glas Wasser im Kuppeltageslicht. Wenn Nyquist hätte raten sollen, dann hätte er behauptet, dass das Funkeln und die Zähne Teil derselben Modifikation waren.
»Das freut mich«, sagte Wagner. »Dann kann ich mir die Vorrede sparen.«
Vorrede. Das konnte sich ewig hinziehen. Nyquist zog die Hand zurück und widerstand dem Wunsch, sie rasch abzuwischen.
»Ich fürchte, ich habe ohnehin keine Zeit für irgendwelche Vorreden«, sagte er. »Ich komme zu spät zu einer Verabredung.«
»Eine Verabredung, während Sie einen Mordfall zu untersuchen haben?«
Nyquist verzog mit Bedacht keine Miene. Insgeheim jedoch war er ein wenig erschrocken. Das Department hatte sorgsam darauf geachtet, nicht zu viele Details an die Medien durchsickern zu lassen. Eines der Details, die zurückgehalten worden waren, war der Name des ermittelnden Detectives.
»Es gibt immer einen Mordfall zu untersuchen«, sagte Nyquist. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden …«
»Ja, Morde gibt es immer.« Wagner verstellte ihm den Weg. »Aber dies ist das erste Mal, dass das Opfer mit mir verwandt ist. Ich bestehe darauf, dass Sie sich etwas Zeit für mich nehmen.«
Nyquist
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