Milliardengrab (German Edition)
Abend, als ich in Basel die Grenze passierte. Während der Fahrt
dachte ich erstmals gründlich über meine Situation nach. Nur ich kam zu keinem
tragfähigen Ergebnis. Wozu benötigten die mich? Krampfhaft suchte ich nach einem
logischen Grund. Ich fand keinen und das beunruhigte mich.
Um
Einsparung ging es offensichtlich nicht - tausend Mark Spesenvorschuss, das sah
nicht gerade nach Erbsenzählern aus. Wo lag mein Risiko? Ich konnte keines
erkennen, und genau das machte mir Angst. Denn eines war mir klar: Das MfS und
die Stasi waren sicher in der Lage, einen Pass zu präparieren und einen ihrer
eigenen Leute von Bank zu Bank zu schicken. Wozu benötigte man mich also?
Diese
Frage konnte ich mir auch noch nicht beantworten, als ich mich im Mercure ins
Bett legte. Trotzdem schlief ich traumlos. Es wunderte mich, wie schnell ich
mich wieder an die Freiheit gewöhnt hatte - der Knast war ins Unterbewusstsein
abgetaucht, die Erinnerung daran allerdings nicht. Als ich erwachte, war ich
guter Dinge, meine aktuellen Sorgen waren in den Hinterkopf gerutscht. Es
herrschte prächtiges Wetter und ich war zuversichtlich, die Operation
Geldwäsche heil zu überstehen. Tag Vier meines neuen Lebens.
Zehn
nach neun stellte ich den Ford auf dem Parkplatz des Euler ab. Meine Gedanken
waren schon bei Schubert, den ich hier treffen sollte. Da schoss mir ein
Gedanke durch den Kopf. Mein Blut geriet in Wallung und ich spürte den Puls in
meinen Schläfen pochen. Das Herz begann zu rasen. Innerhalb von Sekunden kamen
diese Zustände über mich.
Natürlich,
wie konnte man bloß so dämlich sein und das nicht sofort erkennen - es lag auf
der Hand. Panik erfasste mich. Es war ganz offensichtlich, die bedienten sich
meiner, weil sie keinen der Ihrigen opfern wollten. Mein Gott, die würden mich
umlegen. Gar keine Frage. Wenn der Mohr seine Schuldigkeit getan hatte, durfte
er sein Wissen mit ins Grab nehmen. Sie hatten im Vorfeld alles abgecheckt, ich
hatte keine nahen Angehörigen die Feuer schreien würden. Meine Schwester, wenn
es hochkam, sah ich die zu Weihnachten einmal, die würde sich über mein
Ausbleiben nicht wundern. Nur Kathrin, die würde ihre Mutter löchern, wenn ich
mich länger nicht meldete. Ich zitterte ob dieser Erkenntnis. Mir wurde übel
und ich musste mich ans Auto lehnen. Der ganze Parkplatz fuhr in meinem Kopf
Karussell.
Wie
kann man nur so saublöd sein … das lag doch auf der Hand. Natürlich, ich konnte
jederzeit in eine der Banken gehen und das Geld wieder abheben. Oh Gott, wie
sollte ich da je wieder herauskommen, lebend herauskommen? Mein Herz pochte so
stark, dass ich glaubte, jeder konnte es schlagen hören. Das Entsetzen war
meinem Gesicht sicherlich abzulesen. Langsam legte sich das Schwindelgefühl.
Ich bündelte all meine Kraft und ging auf den Eingang des Hotels zu. Das Hotel
entpuppte sich als ein traditionsreiches Haus. Schubert saß bereits an einem
der kleinen Tische im Foyer. Als er mich sah, winkte er mir zu, stand auf,
begrüßte mich und bemerkte meinen labilen Zustand.
»Alles
in Ordnung? Sie sehen nicht besonders gut aus.«
»Ich
habe in der Nacht erbrochen, mein Magen, vielleicht habe ich etwas Verdorbenes
gegessen. Allerdings weiß ich nicht, was das gewesen sein könnte.«
»Sollen
wir auf Morgen verschieben?«, gab er sich fürsorglich, »so als wüsste er um die
Sorgen seines neuen Partners«.
»Nein,
ich nehme einen Cognac, dann wird es wohl etwas besser werden.«
Schubert,
diesmal im Armani-Anzug, ging so rasch zur Bar, dass ich gar nicht mehr
reagieren konnte. Da kam mir der schreckliche Gedanke meiner Flucht. Natürlich,
formal saß ich im Stasi Knast. Die würden mich ganz einfach abknallen. Auf der
Flucht erschossen – so einfach war das, uns keine Seele würde danach krähen.
Mein ganze letzte Kraft zusammennehmen und abhauen – sofort.
Da
war Schubert auch schon wieder zurück und reichte mir einen großen
Cognacschwenker. Ich trank ihn mit einem Schluck aus. Die Wärme des Alkohols
breitete sich angenehm in meinen Gedärmen aus. Die Empfindung der sanften Betäubung
setzte unmittelbar darauf ein.
»So,
jetzt fühle ich mich wirklich besser!«
»Scheuen
Sie sich nicht, wegen eines Tages brauchen wir kein Drama zu inszenieren.«
»Nein,
nein, lassen Sie uns gleich anfangen.« Ich wollte es hinter mich bringen -
wenigstens einmal den Ablauf der Operation Kontoeröffnung erleben. Erleben -
das Wort hatte mit einem Mal einen bitteren Beigeschmack für
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