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Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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geringste Ahnung, was ich sagen soll. Eine Frechheit ist das, einfache Bürger am frühen Vormittag mit Marktforschung zu belästigen. Ich sage »Howard!« und drücke das Gespräch weg. Dann setze ich mich zu Wellberg an den Küchentisch und ein übertriebenes Lächeln auf. Herr Wellberg räuspert sich. »Hören Se, Herr Peters, Se kennen mein Sitewazion nit, aber ich sach emal soviel: Dä janze Dress mit dem Haus hier wächs mer sowieso langsam übber der Kopp. Un Sie helfen mer da nit jrad bei, warum, weiß ich nit. Ich mach Ihnen trotzdem en Anjebot.«
    Ein Angebot? Womöglich eines, das ich nicht ablehnen kann? Ich bin gespannt.
    »Gerne. Schießen Sie los! Was wollen Sie für mich tun?«
    »Janz einfach: Jehen Se in et Kinema oder wat essen ...«
    »Ich soll wohin?«
    »In et Kinema . en et Kino!«
    »Verstehe.«
    »Mir es et dressegal! Jehen Se, wohin Se wollen, abber jehen Se! Ich muss dat Penthaus no emal vermieten, also jewöhnen Se sich einfach an dä Jedanke, dat bald einer übber Ihnen wohnt!«
    Spricht's und schiebt einen 50-Euro-Schein über meinen Tisch.
    »Das ... is nett. Aber - wenn ich ins Kino gehe und was esse mit dem Geld . - ich wäre ja in knapp drei Stunden wieder da und vielleicht haben Sie dann ja noch eine Besichtigung, bei der ich stören würde, also wenn Sie verstehen, was ich meine ...«
    »Hier!« Begleitet von einem Wellbergschen Stöhnen wandert ein weiterer 50er über den Tisch. »Für der Zoo, et Schokomuseum un e lecker Esse.«
    »Wunderbar. Ich liebe den Zoo. Mit seinen ganzen Tieren, groß und klein!«
    »Heiß dat, Se jehen?«
    Ich nicke und Wellberg steht auf.
    »Absolut. Sie kriegen mich heute nicht mehr zu Gesicht!«
    Es ist das erste Mal, dass mein Vermieter mich umarmt.
    »Herr Peters, dat is et Schönste, wat Se met jemals jesacht haben!«
    KÖNIGIN DER UNTERSCHICHT
    Von meinem Fensterplatz in der gemütlich-kitschigen Ha-Long-Bucht aus hab ich meinen Hauseingang ziemlich gut im Blick. Da es immer noch recht früh ist, bin ich alleine, lediglich einige bunte Tropenfische leisten mir in ihrem milchigen Aquarium Gesellschaft. Eine gute Adresse ist das, die Ha-Long-Bucht, und ich freue mich, mir dank des Bestechungsgeldes endlich mal wieder ein richtiges Restaurant leisten zu können. Einziger Wermutstropfen meiner kulinarischen Auszeit ist der nervige Chef des Ladens, ein junger Vietnamese mit kurzen schwarzen Haaren, der einen bei jedem Besuch erneut fragt, ob man schon »gerollt« habe, soll heißen eines der traditionellen Gerichte bestellt hat, welche man mit irgendwelchen Kräutern zusammen in Reispapier einrollt. Er jedenfalls hat noch nie gerollt, zumindest kein »R« und deswegen sagt er auch »gehollt« statt »gerollt«. Den Asiaten fehlt da bekanntlich ein Enzym für das Buchstabenrollen. Reispapier rollen: ja; Buchstaben rollen: nein. Und das Enzym, mit dem man westliche Gesichter auseinander hält, fehlt offenbar auch, sonst wüsste Mr. Long, dass ich schon zweimal hier gegessen habe: 2003 und 2005.
    »Habesieschongehoollt?«
    »Natürlich hab ich schon gerollt.«
    »AhhhWunderbah.«
    »Und ich nehm 'ne Cola und die Siebenundsechzig!«
    »Siebundsechzig? Daaasdebeste!«
    Egal, was man bestellt, macht oder sagt - für Mr. Long ist es immer »debeste!« Da ist der Vietnamese ein leuchtendes Beispiel positiven Denkens. Das Essen kommt fix und ich rolle gerade den ersten von Zwirbeljupp gesponsorten Spanferkel-
    Bissen in mein angefeuchtetes Reispapier, als sich ein panzerähnlicher roter Geländewagen mit getönten Scheiben der Garageneinfahrt meines Mehrfamilienhauses nähert. Ein Hummer? Vor Wochen lief da mal ein Bericht drüber, da haben die gesagt, dieser Hummer wäre eigentlich ein Militärfahrzeug, das Arnold Schwarzenegger hat umbauen lassen, damit seine Frau auf dem Heimweg vom Shopping auch mal über eine cracksüchtige Straßengang rollen kann, ohne dass der Kaffee umkippt. Danach wollten natürlich alle Amis einen haben. Selbst Mr. Long kommentiert den Wagen beeindruckt:
    »EinHuuuummel!Daaaasdebeste!«
    »Na ja, weiß nicht ...«, nuschle ich und beiße in meinen Asia-Pfannkuchen. Vor der Garage öffnet sich in diesem Moment die tonnenschwere Fahrertür so langsam wie der Bug einer dänischen Autofähre.
    Nee, oder?
    Wie in Zeitlupe gleitet mein Spanferkel-Basilikum-Pfannkuchen aus der Hand zurück in den Teller. Die Dame, die da mit glattgebügelten blonden Haaren aus dem Panzer stöckelt, ist keine Geringere als die geliftete Botox-Schildkröte

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