Millionär
für Sie tun?«
Ich lege auf und drücke die Taste Wahlwiederholung. Es tutet kurz.
»Procter & Gamble Verbraucherservice, mein Name ist Dirk Sipp, was kann ich für Sie tun?«
»Nichts«, sage ich, lege wieder auf und bemerke, dass ich meine Jacke noch anhabe. Ich ziehe sie aus, mache mir ein Bier auf und drücke auf Wahlwiederholung. Es tutet.
»Procter & Gamble Verbraucherservice, mein Name ist Annabelle Kaspar, was kann ich für Sie tun?«
Na endlich.
»Mein Charmin-Klopapier ist falsch aufgerollt und ich möchte nicht mitgeschnitten werden zu Schulungszwecken!«
»Herr Peters!«, höre ich die amüsierte Stimme von Frau Kaspar sagen, »lange nichts gehört von Ihnen, wir haben uns schon Sorgen gemacht.«
»Ich . äh . hatte zu tun«, sage ich, ziehe meine Beine auf die Couch und verbiege sie zu einem Schneidersitz.
»Das Klopapier ist falsch aufgerollt, sagen Sie?«
»Absolut. Schwer zu erklären, also ... die eine Lage ist länger als . die andere Lage.«
»Die Perforationen überlappen?«
»Geeeenau!«
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Herr Peters?«
»Immer gerne.«
»Verscheißern Sie mich?«
Ich schlucke und nehme das Telefon ans andere Ohr.
»Was? Nein! Wie ... kommen Sie darauf?« »Weil mich noch nie jemand angerufen hat wegen überlappender Perforation. Weil Sie der Einzige sind, der angeblich ins Krankenhaus musste, weil seine Hand in einer Pringles-Dose klemmte.«
Seltsam. Für mich hat das eigentlich bisher alles immer recht authentisch und nachvollziehbar geklungen. Aus ihrem Mund allerdings .
»Das mit dem Krankenhaus war vielleicht übertrieben, aber die Perforationen überlappen wirklich.«
»Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen?«
»Weiß nicht. Okay.«
»Ist Ihnen eigentlich sehr langweilig?«
»Überhaupt nicht! Ich hab ein Problem mit einem Ihrer Produkte und rufe deswegen beim Verbraucherservice an. Deswegen schreiben Sie die Nummer doch auf die Packungen drauf, oder?«
»Das ist richtig, Herr Peters.«
»Ich weiß, wie ich heiße! Ihren Namen hab ich allerdings vergessen.«
Auch Callcenter-Mitarbeiter gilt es ab und an darauf hinzuweisen, dass sie eines der letzten Glieder in der Dienstleistungsnah-rungskette sind, eingestellt, um dem Verbraucher zu helfen und ihn zu beraten und nicht, um sich über ihn zu erheben.
»Ich heiße Kaspar.«
»Und das schreibt man wie?«
»Wie der Kasper nur mit a.«
»Der Kasper hat aber auch ein a.«
»Mit einem a hinten!«
»Verstehe. Kaspar wie der Kasper nur mit zwei a müssten Sie dann sagen.« »Danke für den Hinweis. Ich hab dann sicher in Zukunft weniger Probleme beim Buchstabieren meines Namens.«
»Ich helfe gerne bei so was.«
»Und Ihr Klorollenproblem ist ernst gemeint?«
»Absolut.«
»Gut. Wie Sie wollen. Lösen wir das Klorollenproblem. Wenn ich Sie um einen Augenblick Geduld bitten darf, Herr Peters, ich würde da gerne mal bei meinem Kollegen nachhören, der ist Spezialist im Bereich Hygienepapiere. Bitte bleiben Sie dran.«
Ich bekomme Wartemusik ins Ohr und frage mich, warum die Stimme von Frau Kaspar mit zwei a so seltsam war, kurz bevor sie mich weggedrückt hat, fast so, als wolle sie ein Niesen unterdrücken. Vielleicht hab ich's ja dieses Mal übertrieben, aber was soll ich machen, wenn ich dringend Klopapier brauche?
»Danke fürs Warten, Herr . Peters«, gluckst es aus der Leitung.
Jetzt weiß ich, was mit der Stimme war. Meine Verbraucherberaterin unterdrückt kein Niesen, sondern einen Lachanfall! Zwergenaufstand auf der Dienstleistungsinsel!
»Gibt es vielleicht irgendwas Komisches an überlappenden Perforationen, von dem ich nichts weiß?«, frage ich mit gepresster Stimme.
»Nein, natürlich nicht«, entgegnet Frau Kaspar, die sich spürbar zusammenreißt, »hat nichts mit Ihnen zu tun, der Kollege neben mir macht Faxen. Entschuldigung.«
»Okay! Ist ja nichts passiert.«
»Wir könnten Folgendes probieren, Herr . - haben Sie die fehlerhafte Charmin-Klorolle in Reichweite?«
»Ja .« »Dann nehmen Sie doch jetzt bitte mal die überlappende erste Lage und drehen Sie sie einmal in entgegengesetzter Richtung um die ... Klo ... Klorolle!«
Das Wort »Klorolle« klingt schon wieder sehr komisch. Dann höre ich für den Bruchteil einer Sekunde ein Japsen und bin plötzlich wieder in der Procter & Gamble-Warteschleife mit ihrer gefälligen Tu-mir-nichts-ich-tu-dir-auch-nichts-Mucke. Hat der Fax-Kollege von nebenan wohl wieder 'ne Grimasse gemacht. Die nutzen das echt aus, wenn die
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